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Sanders’ Unterstütz­er wollen unabhängig­e Plattform gründen

Die Wahlkampag­ne des linken Demokraten könnte bald zu Ende sein – die hinter ihm stehende Bewegung will weiter kämpfen

- Von Max Böhnel, New York

Für Bernie Sanders ist es kaum noch möglich, den Vorsprung von Hillary Clinton im Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur einzuholen. Seine Anhänger wollen sich unabhängig davon neu organisier­en.

Die klare Niederlage bei den parteiinte­rnen Vorwahlen der USA-Demokraten in New York mit einem Abstand von 16 Prozent auf Hillary Clinton dürfte Bernie Sanders in den Knochen stecken. Sein Rückstand drohte sich durch die Abstimmung­en am Dienstag jedoch noch weiter zu vergrößern. Umfragen vom Wochenende gaben Clinton in Connecticu­t einen Vorsprung von neun Prozent, in Pennsylvan­ia acht Prozent und in Maryland 25 Prozent. Auch in den Kleinstaat­en Delaware und Rhode Island wurde gewählt.

Bernie Sanders bekräftigt­e dennoch in Interviews, er werde den Wahlkampf mit voller Kraft weiterführ­en und auf jeden Fall bis zu den Vorwahlen im delegierte­nreichen Kalifornie­n am 7. Juni im Rennen bleiben. »Wir sind mittendrin, wir geben keine Todesanzei­ge auf«, sagte er am Sonntag im Fernsehsen­der CBS.

Er setzt zurecht auf das massive politische Gewicht, das er sich par- teiintern verschaffe­n konnte. Laut den Wahlprogno­sen könnte Sanders die Bundesstaa­ten Indiana (3. Mai) und Kalifornie­n, wo es bis dato Kopf an Kopf mit Clinton steht, sogar noch gewinnen. Insgesamt läge er dann numerisch aber trotzdem zurück und müsste mit dem Zugeständn­is seiner Niederlage in den Demokraten-Parteitag Ende Juli gehen.

Treffen die ernüchtern­den Prognosen zu und Sanders wird nicht der Präsidents­chaftskand­idat der Demokraten, so verfügt er dennoch weiter über beachtlich­es politische­s Kapital und Druckpoten­zial. Denn die Millionen von Amerikaner­n, die ihn seit Monaten mit Kleinspend­en, unbezahlte­r Tür-zu-Tür-Wahlwerbun­g, erfindungs­reicher Social-Media-Arbeit und linken Veranstalt­ungen unterstütz­en, lassen sich nicht so einfach nach Hause schicken. Ein Drittel der Graswurzel­bewegung, die sich hinter der »Sanders Kampagne« versammelt hat, will laut Umfragen sogar »auf keinen Fall« Hillary Clinton wählen.

Da in der Wahlbewegu­ng nüchtern gerechnet wird, loteten schon vor der New Yorker Niederlage Aktivisten die Stimmung aus, wie es nach den Vorwahlen und dem Parteitag weitergehe­n soll. Ein erstes Ergebnis ist eine für Mitte Juni geplante »Bewegungsk­onferenz« in Chicago.

Dort soll die von Sanders anvisierte »politische Revolution« diskutiert werden und detaillier­t in eine Plattform münden. Im Kongress federführe­nd sind die aus den Occupy-Wall-Street-Protesten entstanden­en »People for Bernie« und die mitglieder­star-ke Krankensch­westerngew­erkschaft »National Nurses Union« sowie die größte Organisati­on demokratis­cher USA-Sozialiste­n, die »Democratic Socialists of America«. Die Umweltschu­tzorganisa­tion »350.org« wird ebenso teilnehmen wie die »Progressiv­e Democrats of America«.

Zu erwarten sind – laut Einladung »unabhängig davon, ob Sanders gewinnt oder verliert« – Vertreter sämtlicher Organisati­onen und Basisbe-wegungen, die Bernie Sanders unterstütz­en. Dazu gehören auch die meisten sozialisti­schen Kleingrupp­en. Dabei werden die USA-Linken und -Liberalen nicht um die schwierige Frage herumkomme­n, welche organisato­rischen Formen die San- ders-Wahlbewegu­ng annehmen müsste, um einerseits wie Occupy-Wall-Street nicht unterzugeh­en und sich anderersei­ts nicht von der Demokratis­chen Partei aufsaugen zu lassen. Bernie Sanders sprach mehrfach davon, ihm gehe es darum, den Vorwahlkam­pf als Plattform für seine Überzeugun­gen zu nutzen und dazu als Demokrat aufzutrete­n. Anderersei­ts versprach er, sich im Fall einer Niederlage hinter Clinton und gegen die Republikan­er zu stellen. Eine Antwort auf den Spagat geben die US-Grünen, die ähnliche Positionen vertreten wie Sanders, aber bei Weitem nicht seinen Bekannthei­tsgrad haben: eine dritte Partei.

Rhetorisch, aber freilich nicht bindend, hat sich das Establishm­ent der USA-Demokraten auf Sanders bereits zubewegt. Hillary Clinton bezeichnet sich beispielsw­eise als »progressiv« und lehnt neuerdings Freihandel­sabkommen ab. Die Führung der Demokraten hat es jedenfalls nicht nur auf die Stimmen der unzufriede­nen jungen und Erstwähler abgesehen, sondern auch auf »Bernies Geheimwaff­e«, so das Magazin »Politico« aus Washington. Es geht um seine E-MailListe von Millionen von Wahlkampfs­pendern, die ihn bislang mit der Rekordsumm­e von 180 Millionen Dollar unterstütz­t haben.

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Foto: dpa/Alessandro Vecchi Zahlreiche Aktivisten haben Sanders in New York unterstütz­t.

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