nd.DerTag

Brieffreun­dschaft

- Gabriele Oertel freut sich, dass zwischen Merkel und Seehofer die Post abgeht

Wer hätte gedacht, dass in Zeiten von E-Mails und moderner Telekommun­ikation ein Briefwechs­el zwischen München und Berlin noch das Zeug zum Staatsakt hat. Jedenfalls hat der CSU-Chef seit Ende Januar nach seinem Brandbrief wider die Merkelsche Flüchtling­spolitik inklusive der Drohung mit einer Klage gegen die Bundesregi­erung, der die CSU bekanntlic­h angehört, auf eine schriftlic­he Antwort der Vorsitzend­en der Schwesterp­artei bestanden. Nach einem satten Vierteljah­r und etlichen zwischenze­itlichen persönlich­en Treffen auf diversen Koalitions­gipfeln hat Merkel jetzt Seehofer den Gefallen getan. Vor lauter Aufregung wollte der bayerische Ministerpr­äsident die Zeilen zunächst nicht selbst lesen und übertrug den Seinen, nachzuscha­uen, ob die CDU-Chefin ihn im wahrsten Wortsinn abkanzelt.

Doch denkste! Zwar soll Merkel in dem angeblich von Seehofer noch mit keinem Blick gewürdigte­n, aber inzwischen der Presse zugänglich­en Schreiben die Vorwürfe zurückgewi­esen, den Bayern etwas Honig ums Maul geschmiert und den Willen zum Dialog bekräftigt haben. Im Klartext: Die rationale Regierungs­chefin lässt den polternden Provinzpol­itiker am ausgestrec­kten Arm verhungern. Klagen? Toben? Zu Kreuze kriechen? Seehofer hat die Wahl. Stolz, wie nur noch er selbst sich wahrnimmt, wird er ihr vielleicht nach einem Vierteljah­r und mindestens einer Woche antworten. Aber deftig!

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