Brieffreundschaft
Wer hätte gedacht, dass in Zeiten von E-Mails und moderner Telekommunikation ein Briefwechsel zwischen München und Berlin noch das Zeug zum Staatsakt hat. Jedenfalls hat der CSU-Chef seit Ende Januar nach seinem Brandbrief wider die Merkelsche Flüchtlingspolitik inklusive der Drohung mit einer Klage gegen die Bundesregierung, der die CSU bekanntlich angehört, auf eine schriftliche Antwort der Vorsitzenden der Schwesterpartei bestanden. Nach einem satten Vierteljahr und etlichen zwischenzeitlichen persönlichen Treffen auf diversen Koalitionsgipfeln hat Merkel jetzt Seehofer den Gefallen getan. Vor lauter Aufregung wollte der bayerische Ministerpräsident die Zeilen zunächst nicht selbst lesen und übertrug den Seinen, nachzuschauen, ob die CDU-Chefin ihn im wahrsten Wortsinn abkanzelt.
Doch denkste! Zwar soll Merkel in dem angeblich von Seehofer noch mit keinem Blick gewürdigten, aber inzwischen der Presse zugänglichen Schreiben die Vorwürfe zurückgewiesen, den Bayern etwas Honig ums Maul geschmiert und den Willen zum Dialog bekräftigt haben. Im Klartext: Die rationale Regierungschefin lässt den polternden Provinzpolitiker am ausgestreckten Arm verhungern. Klagen? Toben? Zu Kreuze kriechen? Seehofer hat die Wahl. Stolz, wie nur noch er selbst sich wahrnimmt, wird er ihr vielleicht nach einem Vierteljahr und mindestens einer Woche antworten. Aber deftig!