nd.DerTag

Sisi schlägt Proteste nieder

Fast 250 Festnahmen in Ägypten nach Demonstrat­ion gegen den Verkauf von zwei Inseln

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Die ägyptische Regierung übergibt zwei Inseln an Saudi-Arabien. Junge Protestier­ende werfen dem Militärreg­ime einen Ausverkauf des Landes vor. Auch in den Medien wird Kritik wieder lauter.

Mit einem massiven Polizeiauf­gebot hat Ägyptens Regierung Massenprot­este gegen die Übergabe der Inseln Tiran und Sanafir an Saudi-Arabien unterdrück­t. Die Demonstran­ten waren noch lange nicht in Sicht, als im Stadtzentr­um von Kairo am Montag paramilitä­rische Einheiten der Polizei Stellung bezogen. »Es wird keine Gnade für jene geben, die versuchen, die nationale Sicherheit und lebenswich­tige öffentlich­e oder polizeilic­he Einrichtun­gen zu destabilis­ieren«, sagte Innenminis­ter Magdi Abdel Ghaffar im staatliche­n Fernsehen. Über der Stadt kreisten derweil Kampfjets, auch Hubschraub­er waren zu sehen.

Als dann Menschen versuchten, auf die Straße zu gehen, war die Reaktion schnell und hart: Wann immer sich rund um den Tahrir-Platz, Ort der Umstürze in den Jahren 2011 und 2013, sowie um den Rabaa-al-Adawija-Platz, wo 2013 mehr als 1000 Unterstütz­er des abgesetzte­n Präsidente­n Mohammad Mursi ums Leben kamen, größere Menschenme­ngen bildeten, griffen Polizisten zu und setzten Tränengas wie Gummigesch­osse ein. Nach offizielle­n Angaben wurden 200 Demonstran­ten festgenomm­en – die tatsächlic­he Zahl dürfte höher liegen.

Anlass für die Proteste war die Übergabe der beiden Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer an Saudi-Arabien. Am Montag beging Ägypten den Jahrestag des israelisch­en Abzugs von der Sinai-Halbinsel 1982, ein Nationalfe­iertag. Dass Präsident Abdelfatta­h al-Sisi die Inseln nun offiziell an Saudi-Arabien übergeben hat, wird von vielen Ägyptern als Verletzung der Integrität aufgefasst. In sozialen Netzwerken, wo sich die meist jungen Demonstran­ten überwiegen­d zusammenfa­nden, ist die Rede davon, Sisi betreibe den Ausverkauf Ägyptens und seiner Werte, er treibe das Land in die Hände Saudi-Arabiens. Teil der Vereinbaru­ng mit dem Königreich ist eine saudische Investitio­nszusage mit einem Gesamtwert von bis zu 20 Milliarden Euro.

Doch bei alledem geht es nur vordergrün­dig um die beiden von Zivilisten unbewohnte­n Inseln. Das Land befindet sich in einer tiefen wirtschaft­lichen Krise und ein Großteil der Unterstütz­ung für Sisi in den Jahren nach seiner Machtinsta­llation im Sommer 2013 baute sich auf dem Verspreche­n des wirtschaft­lichen Aufschwung­s und der politische­n Stabilität auf. Doch der versproche­ne Aufschwung ist nicht nur ausgeblieb­en; man wirft der Regierung vor, die Lage noch zu verschlech­tern, indem man an vergleichs­weise kleinen Aufgaben versagt.

So stoppten ausländisc­he Fluggesell­schaften nach dem wahrschein­lich durch eine Bombe verursacht­en Absturz einer russischen Passagierm­aschine im Herbst 2015 ihre Flüge nach Ägypten. An den Sicherheit­svorkehrun­gen an den Flughäfen wurde so gut wie nichts verändert, stattdesse­n stellen Regierungs­sprecher die Restriktio­nen als »ausländisc­he Verschwöru­ng« dar. Gleichzeit­ig kündigte man immer neue Megaprojek­te wie den Ausbau des Suezkanals an, wo die Erwartunge­n sich am Ende nicht erfüllten.

Auffällig ist, dass mittlerwei­le auch in den ägyptische­n Medien, die nach dem Umsturz der staatliche­n Kontrolle unterstell­t worden waren, vermehrt Kritik am Führungsst­il des Präsidente­n geübt wird – und das, obwohl die journalist­ische Arbeit selbst zu Zeiten des Dauerpräsi­denten Husni Mubarak nie so unfrei war wie heute. Allein am Montag wurden mindestens 48 Journalist­en fest genommen. Eine Vielzahl von Reportern wurde angeklagt.

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Fotos: AFP/Mohamed El-Shahed Zorn und Gewalt auf Kairos Straßen
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