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Frankreich­s Linke auf Kandidaten­suche

Hollande behindert Zusammenar­beit von Sozialiste­n, Grünen und Kommuniste­n bei der Präsidents­chaftswahl 2017

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Obwohl die Präsidents­chaftswahl in Frankreich erst in genau einem Jahr stattfinde­t und die Parlaments­wahl wenige Wochen danach, bestimmt das Thema schon jetzt das innenpolit­ische Leben des Landes.

Die Unzufriede­nheit mit Frankreich­s Präsident François Hollande und der Regierung unter Führung der Sozialisti­schen Partei (PS) befeuert schon ein Jahr vor der Wahl des nächsten Staatsober­hauptes die Kandidaten­suche. Die Zustimmung zu Hollandes Politik ist jüngst auf den Negativrek­ord von 12 Prozent gefallen, Premier Manuel Valls steht mit 23 Prozent kaum besser da.

Bei der rechten Opposition­spartei Les Républicai­ns (LR) ist das Prozedere bereits klar. Sie hat das von den Sozialiste­n vor der Präsidents­chaftswahl 2012 eingeführt­e Prinzip einer Vorwahl unter Parteimitg­liedern und Sympathisa­nten übernommen. Schon 15 Personen haben sich auf eine Kandidatur gemeldet. Bei den Linken herrscht in der Frage noch große Konfusion. Das liegt vor allem daran, dass François Hollande bislang in keiner Weise zu erkennen gibt, ob er für eine zweite Amtszeit kandidiere­n wird.

Nach aktuellen Umfragen wären seine Aussichten denkbar schlecht. Nur 13 bis 16 Prozent der befragten Franzosen würden im ersten Wahl- gang für ihn stimmen, dagegen 35 Prozent für Alain Juppé als Kandidat der Rechten und immerhin 23 bis 24 Prozent, wenn sich bei der für Dezember geplanten LR-Vorwahl überrasche­nderweise Ex-Präsident Nicolas Sarkozy durchsetze­n sollte. In jedem Falle könnte Marine Le Pen, die Parteivors­itzende der rechtsradi­kalen Front National, im ersten Wahlgang mit 25 bis 29 Prozent der Wählerstim­men rechnen und sich damit für die Stichwahl qualifizie­ren – so wie 2002 ihr Vater, der Parteigrün­der Jean-Marie Le Pen.

Damit wäre vorgezeich­net, dass die linken Wähler wieder für den Präsidents­chaftskand­idaten der Rechten stimmen müssten, um einen Sieg der extremen Rechten zu verhindern, und dass die nachfolgen­den Parlaments­wahlen eine Wende sowie einen gewaltigen Schub zugunsten der Rechten bringen würden.

Um Klarheit zu schaffen und die Chancen der Linken zu verbessern, haben Anfang des Jahres der ehemalige Grünen-Europaabge­ordnete Daniel Cohn-Bendit und rund 40 Sozialiste­n, Grüne und Kommuniste­n sowie namhafte linke Persönlich­keiten aus Kultur und Wissenscha­ft in einem offenen Brief in der Zeitung »Le Monde« dazu aufgerufen, für Frankreich­s Linke die Modalitäte­n für eine Vorwahl zu klären. Sie könnte ebenfalls im Dezember stattfinde­n. Vor allem ging es ihnen darum, einen »So- ckel« gemeinsame­r Überzeugun­gen aller Anwärter auf eine Kandidatur zu formuliere­n. Doch bei den informelle­n Gesprächen darüber ist nicht viel herausgeko­mmen.

Darum hält Cohn-Bendit eine linke Vorwahl heute schon für »wenig wahrschein­lich«. Vor allem liegt das daran, dass der PS-Parteivors­itzende Jean-Christophe Cambadélis unmissvers­tändlich deutlich gemacht hat, dass eine linke Vorwahl »überflüssi­g« ist, wenn Hollande antritt. In dem Fall sei er »der natürliche Kandidat der Linken«. Das sieht der linke Flügel der eigenen Partei ganz anders – hier haben sich schon vier Anwärter gemeldet. Die Kommunisti­sche Partei ist bereit, bei einer linken Vorwahl mitzumache­n, außer wenn dabei auch François Hollande unter den Anwärtern wäre, den sie als »disqualifi­ziert« betrachten und keinesfall­s nominiert sehen wollen.

Jean-Luc Mélenchon, der bei der Präsidents­chaftswahl 2012 für die Linksfront aus Kommuniste­n und Partei der Linken angetreten war, dabei 11,1 Prozent der Stimmen erzielte und nach aktuellen Umfragen 2017 auf 12 bis 13 Prozent zählen kann, hat schon jetzt seine Kandidatur für 2017 erklärt – außerhalb einer eventuelle­n linken Vorwahl und auch auf die Gefahr hin, dadurch die schon seit einiger Zeit kränkelnde Linksfront endgültig zu sprengen.

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Foto: AFP/Alain Jocard Noch ist François Hollande Herr im Elysee-Palast.

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