Neuer BND-Chef ist ein Vertrauter von Schäuble
Gründe zur Ablösung von Präsident Gerhard Schindler unklar
Berlin. Der Bundesnachrichtendienst (BND) bekommt zum 1. Juli eine neue Führung: Präsident Gerhard Schindler – seit 2012 in dem Amt – wird vom Verwaltungsjuristen Bruno Kahl abgelöst. Der ist bislang Abteilungsleiter in dem von Wolfgang Schäuble geleiteten Bundesfinanzministerium. Über die Gründe der Ablösung hüllt sich die Regierung in Schweigen. Kanzleramtschef Peter Altmaier verwies auf die »großen Herausforderungen«, vor denen der Dienst stehe.
Nötig seien eine Weiterentwicklung seines Aufgabenprofils, die weitere Ertüchtigung in technischer und personeller Hinsicht sowie notwendige organisatorische und rechtliche Konsequenzen aus den Arbeiten des NSA-Untersuchungsausschusses. Verwiesen wurde auch auf den Umzug großer Teile des BND von Pullach nach Berlin. Die Opposition begrüßte die Ablösung, mahnte aber zugleich grundlegende Reformen an.
Der BND-Chef muss gehen. Aber offenbar aus den falschen Gründen. Ein Schäuble-Vertrauter übernimmt den Auslandsgeheimdienst.
Undank ist Merkels Lohn! Ganze drei frostige Pressemitteilungszeilen war der BND-Chef dem Bundespresseamt am Mittwoch noch wert: »Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Peter Altmaier, dankt Präsident Schindler für seine langjährige, verdienstvolle Arbeit an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes seit 2012.« Selbst Kritiker des Geheimdienstchefs bedauern die Art und Weise, wie Gerhard Schindler, der noch zwei Jahre Zeit bis zur offiziellen Pensionierung gehabt hätte, abserviert wurde. Zugleich bedauern sie aber, dass er die Hinweise aus dem Kanzleramt, aus gesundheitlichen Gründen um Entlassung zu bitten, konsequent überhört hat. Nicht einmal die vor wenigen Tagen erfolgte Wikipedia-Eintragung, wonach Schindlers Schwester die Frau des saarländischen AfD-Pressesprechers und selbst eng mit der rechtsnationalistischen Partei verbandelt ist, fand die Aufmerksamkeit des Noch-BNDPräsidenten. Sicher scheint, Schindlers Taubheit in dieser Frage ist keineswegs auf den Hörsturz zurückzuführen, den der 63-Jährige unlängst erlitt. Den hat er überwunden, nicht jedoch den Ärger darüber, dass ihm von oberster Stelle die Fortführung der sogenannten BND-Reform nicht zugetraut wurde.
Für den Linksabgeordneten André Hahn, Vizechef des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentsgremiums PKGr, ist die Ablösung Schindlers »längst überfällig«. Nachdem bereits einige Abteilungsleiter gegangen wurden, weil sie in der Zusammenarbeit mit der amerikani- schen NSA und dem britischen GCHQ weit über den rechtlichen Rahmen hinausgeschossen waren, lag Schindlers Abgang auf der Hand. Auch zahlreiche weitere Pannen bis hin zur Installierung eines CIA-Zuträgers im deutschen Auslandsnachrichtendienst hat Schindler als Chef zu verantworten. Doch es ist für Hahn zu einfach, den BND-Präsidenten allein für das Desaster verantwortlich zu machen. »Die Sach- und Fachaufsicht für den BND liegt beim Kanzleramt. Es ist mit unverständlich, wie der zuständige Abteilungsleiter Günter Heiß sowie
André Hahn (LINKE), Vizechef des PKGr
der verantwortliche Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche an Bord bleiben können«, sagte Hahn gegenüber »nd«.
Gerätselt wird auch über den Zeitpunkt für Schindlers Ablösung. Die illegale Kooperation zwischen BND und NSA ist seit einem Jahr bekannt und scheidet als Grund wohl aus. Daraus entstand der fraktionsübergreifende Wunsch nach einem BND-Gesetz, das zumindest mehr parlamentarische Überwachung ermöglicht. Verschiedene oppositionsgelenkte Entwürfe liegen vor. Jetzt müsse man fraktionsübergreifend zu einer Einigung kommen, sagt Hahn. Der GrünenFraktionsvize Konstantin von Notz meint: »Wenn die Ablösung Schindlers die notwendigen Reformen ersetzen soll, ist das ein krasses Eigentor des Bundeskanzleramts.«
Doch genau diese Idee steckt wohl hinter der Ruck-Zuck-Präsidenten- Tausch-Aktion. Mit dem Hinweis auf Terrorgefahren versucht Schwarz-Rot, den Geheimdiensten insgesamt mehr Möglichkeiten zu eröffnen. Dass das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Tagen dem Ausbau des Bundeskriminalamtes (BKA) zu einem Quasi-Geheimdienst Grenzen gesetzt hat, erzürnte den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht von ungefähr. Denn die Änderungsverlangen zum BKA-Gesetz betreffen auch den Verfassungsschutz. Auch der ist gerade dabei, sich mehr Personal und Kompetenzen an Land zu ziehen. Zu Lasten von Bürgerrechten.
Wer glaubt, dass der Besuch der Kanzlerin am Dienstag im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum, in dem die Geheimdienste von Bund und Ländern mit den Polizeibehörden an einem Tisch sitzen, nicht höchst absichtsvoll war, ist naiv. Angela Merkel hat den Sicherheitsbehörden nachdrücklich Unterstützung zugesagt und versprach, bei der personellen und der technischen Ausstattung noch mehr draufzusatteln. Auch das »rechtliche Regelwerk« sei, so die Regierungschefin, zu verändern.
Der Mann, der ab dem 1. Juli den BND in die Zukunft führen soll, heißt Bruno Kahl. Ihn schickt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der 53jährige Jurist war Referent im Kanzleramt und – das ist entscheidend – Schäubles Büroleiter, als der das Bundesinnenministerium leitete. Obwohl er sich derzeit um Bundesimmobilien kümmert, hat er den Kontakt zu seinem einstigen und künftigen Metier nicht ganz verloren. Kahl ist seit 35 Jahren Reserveoffizier der Bundeswehr und speziell mit dem militärischen Nachrichtenwesen vertraut. Die letzte Wehrübung absolvierte er im Auslandsführungskommando als sogenannter G-2-Offizier. Das sind die, die sich um die Feindlage und Nachrichtengewinnung kümmern.
»Die Sach- und Fachaufsicht für den BND liegt beim Kanzleramt.«