Zum Jubiläum einen Berggipfel
Norwegen will Finnland zu neuen Höhen verhelfen
Zum 100-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit Finnlands könnte Norwegen dem Nachbarn einen Gipfel des Halti schenken, einem Berg an der Grenze. Finnland hätte dann einen neuen höchsten Punkt.
Die Geschichte der Nationalstaaten ist von blutigen Grenzstreitigkeiten geprägt. Stets ging es um die Ausweitung der eigenen Landesgrenzen. Einen erfrischend neuen Weg könnte erstmals das Königreich Norwegen gehen. Dort erwägt die Regierung derzeit, ob sie dem Nachbarn Finnland einen grenznahen Berggipfel in Lappland völlig ohne Gegenleistungen zum Geschenk macht.
Denn Finnland feiert im kommenden Jahr seine 100-jährige Unabhängigkeit vom russischen Reich. Finnland hat zwar schon 188 000 Seen, aber im Gegensatz zu Norwegen kaum hohe Berge. Insofern wäre die Abtretung nicht nur ein symbolisches, sondern auch ein nützliches Geschenk.
Konkret geht es um den Gipfel Haldicohkka des Haltitunturi oder Halti. Der liegt 1331 Meter über dem Meeresspiegel. Der höchste Punkt auf finnischer Seite des grenzüberschreitenden Halti-Massivs liegt dahingegen nur 1324 Meter über dem Meeresspiegel. Er ist auch der höchste Punkt Finnlands, obwohl er nicht mal ein richtiger Gipfel ist, sondern nur zum knapp auf norwegischer Seite liegenden wirklichen Gipfel hinführt.
Mit dem Jubiläumsgeschenk hätte Finnland einen neuen höchsten Punkt, der sieben Meter höher ist als der bisherige. Zudem läge er auf einem richtigen, besteigbaren Gipfel.
Die Norweger vergeben sich dabei auch nichts. In ihrem bergigen Königreich ist der zu verschenkende Gipfel nur einer von vielen und zählt nicht einmal zu den 200 höchsten. Das Land könnte den Verlust also verkraften, während das Geschenk für Finnland etwas ganz Besonderes wäre.
Dazu soll eine kleine dreieckförmige Grenzkorrektur Richtung Westen, nach Norwegen hinein, durchgeführt werden, so ein Vorschlag. Bei einer anderen Variante geht es nur um eine Korrektur von 40 Metern auf Norwegens Kosten.
Die bürgerliche Ministerpräsidentin Erna Solberg hat bestätigt, dass ihre Regierung derzeit eine Anfrage zum Verschenken des Gipfels von der Siedlung Kafjord in der norwegischen Provinz Finnmark prüfe. »Es gibt einige formale Hürden, und ich bin selbst noch unentschlossen. Aber wir schauen uns die Sache an«, sagte sie. Die Gemeinde hofft bei Erfolg darauf, dass noch mehr Finnen in der Gegend Skiurlaub machen. Gewöhnlich kommen sie stets über die norwegische Seite auf den Berg.
Als Erstes hatte aber der inzwischen pensionierte Landvermesser und Regierungsberater Björn Harrson vom norwegischen Kartenamt die Idee. 1972 flog der Parteikollege von Solberg über die norwegischfinnische Grenze, um Vermessungen durchzuführen. »Ich habe mich schon damals gewundert, warum zum Teufel die Finnen nicht die Bergspitze bei der Grenzziehung mitbekommen hatten«, meinte er. Das sei fast störend ins Auge gefallen.
In der Tat sieht es von oben merkwürdig aus. Das länderübergreifende Bergmassiv hat zwei große Gipfel. Der Größere liegt deutlich in Norwegen, der zweitgrößte, der jetzt verschenkt werden soll, wird von der Grenze zu Finnland nahezu angeschnitten, liegt aber auch in Norwegen. Die Grenzziehung erfolgte um 1750 recht willkürlich. »Ist das nicht eine kreative Idee? Norwegen würde das kaum merken. Und ich glaube, die Finnen würden sich sehr über die Bergspitze freuen«, sagte Harsson. Auch die heutige Leiterin des Vermessungsamtes, Anne Fröstrup, ist von der freundlichen Grenzkorrektur begeistert. »Ich muss sagen, dass ich das für eine sehr gute Idee halte.« »Wenn Norwegen uns ein Geschenk machen will, ist das freundlich, aber wir mischen uns nicht ein, was sie geben wollen«, kommentierte Erik Lundberg, finnischer Botschafter in Oslo, diplomatisch.