Endlosschleife Autobahn
Kabinett will bis 2030 rund 133 Milliarden Euro in den Straßenbau pumpen
Berlin. Ist Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eigentlich Fan von Kraftwerk? Zumindest passt eines ihrer größten Lieder vortrefflich zum Bundesverkehrswegeplan, den Dobrindt am Mittwoch durchs Bundeskabinett brachte. »Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn«, sangen die Elektropioniere von Kraftwerk nämlich in den 1970er Jahren. Und die deutsche Autobahn ist wohl das, an das Dobrindt bei seinem Bundesverkehrswegeplan als Erstes dachte. Von den knapp 270 Milliarden Euro, die er bis 2030 für die Straßen, Schienen und Wasserwege mobilisieren will, sind 132,8 Milliarden, also das größte Stück vom Kuchen, für Autobahnen und Bundesstraßen vorgesehen. Besonders großzügig für den Aus- und Neubau von Bundes fernstraßen hat Dobrindt übrigens sein eigenes Bundesland Bayern sowie NordrheinWestfalen bedacht.
Opposition und Umweltverbände finden das gar nicht gut. Sie finden, dass Dobrindts Plan wie der Autobahn-Hit von Kraftwerk nämlich ein Relikt der 1970er Jahre ist. Denn Dobrindt setzt damit für die nächsten 14 Jahre ausgerechnet auf diebesondersk limaschädliche F ort bewegungs weise .» Die Bundesregierung lässt die Möglichkeit zurGe- staltung einer klima- und umweltverträglichen Mobilität ungenutzt verstreichen«, sagt die verkehrspolitische Expertin der Grünen im Bundestag, Valerie Wilms. Der Plan bleibe ein Instrument zur Beglückung von Wahlkreisen der Koalition. Und auch Sabine Leidig von der LINKEN im Bundestag sagt, dass jede kleine Ortsumfahrung mit erwarteten 3000 Autos am Tag aufgenommen wurde, während regionale Schienenprojekte fehlten.
Dass Dobrindt nun auch überregionale Fahrradwege mitfinanzieren will, ist da wohl als Treppenwitz zu verstehen. Wer radelt schon von Hamburg nach Berlin?
Minister Alexander Dobrindt meint, mit seinem Bundesverkehrswegeplan den Verkehr hierzulande zu modernisieren. Opposition und Umweltverbände halten ihn für klimaschädlich. 20 000 Eingaben, die online oder per Post in sein Ministerium geschickt wurden, konnte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vergangene Woche präsentieren. »Die Öffentlichkeitsbeteiligung war erfolgreich«, sagte der CSU-Mann. Doch die Umweltverbände halten von seiner neu eingeführten Bürgerbefragung wenig. Für den Vorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, war die Beteiligung »eine Farce«.
Dobrindt will im Rahmen des am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Bundesverkehrswegeplans 2030 bis zum Jahr 2030 knapp 270 Milliarden Euro in den Erhalt und Ausbau der Schienen, Fernstraßen und Wasserwege des Bundes stecken. Das meiste davon – 132,8 Milliarden Euro – steckt Dobrindt in die Fernstraßen. 24,5 Milliarden Euro sollen die Wasserstraßen und 112,3 Milliarden Euro die Schienen kriegen, die im ursprünglichen Entwurf vom März mit knapp 110 Milliarden Euro bedacht waren. »Damit modernisieren wir unsere Infrastruktur und beschleunigen die Mobilität in Deutschland«, meint der Minister.
Der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes NABU, Leif Miller, sieht dies anders: »Der Bundesverkehrswegeplan von Minister Dobrindt liest sich inhaltlich und methodisch inzwischen wie ein Verkehrsplan der 1970er Jahre.« Dass der Minister wenige Monate nach dem Pariser Klimaabkommen einen solchen Gesetzesentwurf durchs Kabinett brachte, »ist in diesem Jahrtausend vollkommen inakzeptabel«.
Auch für die verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Sabine Leidig, sind der Verkehrswegeplan und Klimaschutz »gegensätzlich wie nie«. Dobrindts Vorhaben werde »für zunehmende Abgase durch mehr Autoverkehr verantwortlich sein und den Problemsektor Verkehr in Zukunft noch weniger lösbar machen«. Denn die Mo- bilität ist der einzige Bereich, in dem hierzulande die Treibhausgasemissionen seit 1990 gestiegen sind, allein 2015 um 1,5 Prozent. Und Dobrindt pumpt nun das meiste Geld in den Straßenbau und so in den besonders klimaschädlichen Automobilverkehr.
Der Schwerpunkt liegt dabei wiederum im Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen. Denn Dobrindt will 87 Prozent der Mittel in »großräumig bedeutsame Vorhaben« stecken, wie sein Ministerium es nennt. Dem BUND zufolge weisen dafür viele Stellungnahmen und Gutachten zu Straßenbauprojekten, beispielsweise zur A20, A39 oder A14, massive Manipulationen an Projektdefinitionen, -prognosen und -bewertungen auf. Außerdem führten die über 500 vorgesehenen Ortsumfahrungen zu keiner echten Entlastung, so der Umweltverband, der vor der Entscheidung im Bundestag grundlegende Planänderungen und Neuberechnungen solcher Projekte fordert.
Auch dass der Schienenverkehr nun etwas mehr Geld erhalten soll, als ursprünglich vorgesehen, ist für die Kritiker des Bundesverkehrswe- geplans lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. »Der Plan ist konzeptionslos, was die Investitionen in die Schiene angeht«, sagte etwa Karl-Peter Neumann vom Fahrgastverband Pro Bahn der »Rheinischen Post«.
Besonders aber stört die Umweltverbände, wie der Verkehrsminister mit ihnen umgegangen ist. »Ganze drei Werktage hat Herr Dobrindt den Umweltverbänden Zeit gelassen, zu den Ausbaugesetzen Stellung zu beziehen – und das mitten in den Sommerferien«, meckert Leif Miller vom NABU.
Weiger zufolge hat Dobrindt »wie ein Gutsherr aus dem vorigen Jahrhundert geplant, der seinen politi- schen Günstlingen Gefälligkeiten erweisen will«. Bei keinem der 1281 Fernstraßenprojekte seien vernünftige Alternativen, obwohl gesetzlich vorgeschrieben, ausreichend »ermittelt, beschrieben und bewertet« worden. So würden Milliarden in überflüssige Autobahnprojekte und fragwürdige Ortsumfahrungen fließen.