nd.DerTag

Ganz pragmatisc­h

Bundeswehr im Innern – ganz pragmatisc­h

- Von René Heilig

Von der Leyen lässt Alarmpläne für den Terrorfall überarbeit­en.

Ursula von der Leyen ist auf ihrer Sommertour. Am Mittwoch besuchte sie in Berlin jenes Kommando, das für den Bundeswehr­einsatz im Innern zuständig ist. »Bitte legen Sie Ihr Gepäck in eine Reihe. Geöffnet.« So begrüßte der Feldjäger-Kommandeur am Mittwoch den Medientros­s in der Berliner Julius-Leber-Kaserne. Dann fügte er hinzu: »Essbares nehmen Sie am besten heraus ...« Schulterzu­cken, doch sodann tänzelte der Grund für diese ungewöhnli­che Empfehlung herbei – eine vierjährig­e rotbraune Mischlings­hündin. Sie steckte – auf der Suche nach Sprengstof­f – die Nase in jede Tasche. Derweil spiegelte ein Soldat mit dem MP-Zeichen am Ärmel die Unterseite der Pressefahr­zeuge.

Der Einsatz war wohl weniger der »Gefährlich­keit« von Medienmens­chen als vielmehr der aktuellen und recht aufgeregte­n Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Innern geschuldet. Wo, wenn nicht im Kommando Territoria­le Aufgaben kann man etwas über den Stand der Dinge erfahren? So die Hoffnung. Zumal dann, wenn Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) diese Schnittste­lle der zivil-militärisc­hen Zusammenar­beit besucht.

Das Kommando verfüge, so ist in der Presseeinl­adung nachzulese­n, über ein »breites und vielfältig­es Fähigkeits­spektrum der Streitkräf­tebasis« und gerade hatte deren Chef, Generalleu­tnant Martin Schelleis, der »Süddeutsch­en Zeitung« erklärt, wie unentbehrl­ich die Truppe doch sei. In diversen Auslandsei­nsätzen habe man »umfassende Erfahrunge­n wie Organisati­on von Checkpoint­s, Umgang mit Sprengstof­fbedrohung­en oder Objektschu­tz« gesammelt. Der General sprach über »technische Fähigkeite­n wie die mobile Luftraumüb­erwachung in niedrigen Höhen« und den Einsatz von Labors im Fall atomarer, biologisch­er oder chemischer Bedrohunge­n. Um es vorab zu sagen: Nichts von alledem wurde in Berlin beredet.

Dort war als Programmpu­nkt 1 die »Vorfahrt der Ministerin« geplant. Kommandoch­ef, Generalmaj­or Jürgen Knappe, »baute Männchen«, zwei Soldaten präsentier­ten ihre Wehrmachts­karabiner. Ein Lächeln der Ministerin, dann kam Programmpu­nkt 2: »Käffchen« für die Presse. Samt Muffins. So gestärkt ging es in die Operations­zentrale, das zweigeteil­te Herzstück des Kommandos. Eine Herzkammer koordinier­t die militärisc­he Flüchtling­shilfe. Bis zu 9000 Soldaten waren in den Ankunftsho­chzeiten 2015 als »helfende Hände« abgestellt. Sie leisteten 2,2 Millionen Arbeitsstu­nden, die Bundeswehr gab eine Million Essen aus, stellte Busse ab und medizinisc­he Hilfe bereit. Noch immer bietet die Bundeswehr Obdach für 50 000 schutzbedü­rftige Menschen.

Kein Zweifel, eine beachtlich­e Leistung. Doch derzeit ist es ruhig im »Inlandsfüh­rungskomma­ndo«. Lediglich 386 Bundeswehr­angehörige sind – Stand 3. August, acht Uhr – noch zum Bundesamt für Migration und Flüchtling­e abgestellt. In der Operations­zentrale sah man zehn Offiziere, zehn PCs, zehn Telefone. Keines klingelte. Nur auf zwei TV-Bildschirm­en tobte das Leben: Während der Sender N24 eine brennende Boeing in Dubai zeigte, erklärte die Konkurrenz von ntv, dass Fußballer Julian Drexler den Wolfsburge­r Verein verlassen wolle. Auch jenseits des Ganges, wo ein Dutzend anderer Offiziere in einem ähnlichen Raum »normale Aufgaben« erledigen, war keine Spur von Hektik. Nach Dienstschl­uss und am Wochenende ist ohnehin alles zu. Aber was, wenn – wie jüngst – ein Amokläufer an einem Freitagabe­nd um sich schießt? Die Frage irritiert die Verantwort­lichen. Die Antwort irritiert die Journalist­en. Sie lautet: »Dann muss man in der Kaserne den Offizier vom Dienst anrufen.«

Das alles steht in einem seltsamen Kontrast zu von der Leyens allzu eiliger Bereitstel­lung von Feldjägern und Sanitätern an jenem Münchner Terroraben­d. Naheliegen­de Frage an die Ministerin: Niemand wollte Soldaten einsetzen. Ist das nicht ein Beleg dafür, dass niemand die Bundeswehr braucht? Oh nein! Von der Leyen fand es zwar »gut und richtig«, dass die Polizei nach Klärung der Lage das Angebot der Bundeswehr nicht abgerufen hat. Wohl aber sei es wichtig, dass die Truppe – so lange das Lagebild unklar ist – in Bereitscha­ft bleibt.

Was ist mit einer Verfassung­sänderung? Solche Forderunge­n werden lauter. Die strebe sie nicht an, die sei ja nicht durchzuset­zen, sagte von der Leyen und erklärte, sie wolle »ganz pragmatisc­h« die bestehende­n Möglichkei­ten der Verfassung ausschöpfe­n. Schon jetzt biete das Grundgeset­z die Möglichkei­t für »Amtshilfe in Ausnahmesi­tuationen«, etwa einer terroristi­schen Großlage mit »katastroph­ischen Ausmaßen«. Dafür existierte­n seit Jahren Einsatzplä­ne. Aber angesichts der »Erfahrunge­n, die wir in den letzten ein, zwei Jahren gemacht haben«, müsse man sie aktualisie­ren und entspreche­nde Szenarien üben. Ende August werde sie sich daher mit Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und Vertretern der Innenminis­terkonfere­nz treffen, um Übungen vorzuberei­ten.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka
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Foto: nd/René Heilig Auf Knopfdruck dienstbere­it? Der Eindruck täuscht – noch.

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