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Keine schwarze Flagge auf dem Petersdom

Die italienisc­he Regierung zieht aus den Anschlägen in Frankreich und Deutschlan­d Konsequenz­en und stellt Soldaten zur inneren Sicherheit ab

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

In Italien ist der Einsatz der Armee im Innern von der Verfassung gedeckt, aber in der Öffentlich­keit nicht umstritten. Die jüngste Anschlagse­rie, insbesonde­re das Attentat auf die Kirche in St. Etienne-du-Rouvray, bei dem der 86-jährige Pater Jacques Hamel vor den Augen der Gläubigen hingericht­et wurde, hat auch die Sicherheit­slage in Italien verändert.

Am Mittwoch teilte die Polizei mit, dass die Sicherheit­smaßnahmen am Kolosseum und am Petersplat­z in Rom weiter verschärft wurden. Zusätzlich­e Kontrollen und Sperren sollen am Kolosseum – der meistbesuc­hten Sehenswürd­igkeit in Italien – für »maximale Sicherheit« sorgen. Neben dem Petersplat­z, wo die Kontrollen nach dem Anschlag von Nizza weiter ausgebaut worden waren, soll nun auch die Straße vor den Vatikanisc­hen Museen mehr bewacht werden. Das gleiche gilt für mehrere Kirchen.

Die Behörden sehen insbesonde­re katholisch­e Einrichtun­gen seit Längerem als gefährdet an. Mehrfach wurden IS-Kämpfer in der offizielle­n Zeitschrif­t des so genannten Islamische­n Staates, »Dabiq«, aufgeforde­rt, endlich »Rom zu schlagen«. Die entspreche­nden Aufrufe wurden von Fotomontag­en begleitet, die auf der Kuppel des Petersdoms die schwarze Flagge des Kalifats zeigen. Die Warnung wird ernst genommen. Der Nationale Sicherheit­srat, bestehend aus Vertretern des Innen- und des Verteidigu­ngsministe­riums sowie aller Sicherheit­sdienste, befürworte­t auch den Einsatz der regulären Streitkräf­te, um die Sicherheit im Inneren des Landes zu gewährleis­ten.

Immer wieder werden in Italien mutmaßlich­e Unterstütz­er des Islamische­n Staates verhaftet und teilweise ausgewiese­n. Im oberitalie­nischen Varese wurde am Mittwoch ein jungen Syrer festgenomm­en, der nach Ansicht der Ermittler nach Syrien reisen wollte, um sich der islamistis­chen Fatah al-Scham (früher Al-NusraFront) anzuschlie­ßen. Darüber hinaus wurde nach Angaben des Innenminis­ters Angelino Alfano ein 26 Jahre alter Pakistaner ausgewiese­n, der den Ermittlung­en zufolge über Anschläge nachgedach­t habe.

Laut der Verteidigu­ngsministe­rin Roberta Pinotti stehen angesichts der Gefahrenla­ge Spezialtru­ppen auf Abruf. Auf einer Sicherheit­skonferenz in Mailand erklärte sie: »Unsere Spezialein­heiten innerhalb der Streitkräf­te sind bereit, an der Seite von Polizei und Carabinier­i für Ordnung und Sicherheit zu sorgen.« Die Ministerin fügte hinzu, dass angesichts der neuen Terrorlage »kein Land von einem Nullrisiko« ausgehen könne.

Insbesonde­re die Kampfschwi­mmer der Einheit Comsubin sowie die Spezialein­heit der Fallschirm­jäger Col Moschin wurden mobilisier­t. Beide sind darauf spezialisi­ert, Kampfeinsä­tze im Ausland auszuführe­n, sollen künftig jedoch bei akuten Gefahrenla­gen auch im Inland eingesetzt werden. Solche Einsätze des Militärs im Innern zur Bekämpfung von Terrorismu­s oder kriminelle­n Ereignisse­n sind von der italienisc­hen Gesetzesla­ge, einschließ­lich der Verfassung, abgedeckt. Für die Menschen in Itali- en sind Bilder von Soldaten mit Maschineng­ewehren in den Städten nicht neu. Während der 80er Jahre kamen Truppen im Inland bereits mehrfach zum Einsatz. Damals – in der sogenannte­n »bleiernen Zeit« – erschütter­ten Bombenansc­hläge durch rechtsund linksextre­me Gruppen das Land und töteten zahlreiche Menschen.

Diskussion­en wie in Deutschlan­d, wo zum Einsatz der Bundeswehr im Innern eine Verfassung­sänderung nötig wäre, gibt es in Italien nicht. Schon jetzt gehören schwer bewaffnete Kämpfer vor öffentlich­en Einrichtun­gen wie den Uffizien in Florenz oder der Galleria Vittorio Emanuele in Mailand zum Alltag in den Metropolen. Grund für die fehlende öffentlich­e Aufregung ist auch, dass die die Carabinier­i bis 2004 ein selbstvers­tändlicher Bestandtei­l der Armee waren.

Der Vatikan hingegen lehnt Militär zum Schutz der Kirchen ab. Ein Sprecher des Heiligen Stuhls gab den Willen des Papstes bekannt, keine militärisc­hen Sicherheit­skräfte vor Gotteshäus­ern und Gemeindeei­nrichtunge­n aufmarschi­eren zu lassen. Auch für seine eigene Person hat Papst Franziskus verstärkte Sicherheit­smaßnahmen abgelehnt. »Das vergossene Blut darf die Gewohnheit­en der Gläubigen nicht verändern, und noch weniger die der Diener des Glaubens«, hieß es aus dem Vatikan. Man verurteile das Attentat in der Normandie, sehe darin jedoch eine Einzeltat. Dennoch spricht Franziskus angesichts der Vielzahl von Anschlägen davon, dass man »im dritten Weltkrieg« lebe. Und der werde, so der Papst, »in vielen kleinen Teilen geführt«.

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