Großoffensive und Gegenangriffe
Das erbitterte Ringen um das syrische Aleppo ist noch längst nicht entschieden
Die syrische Stadt Aleppo ist weiter umkämpft. Unter den wechselseitigen Angriffen leiden vor allem Zivilisten – trotz Korridoren. Damaskus. Im Kampf um die syrische Metropole Aleppo haben die Regierungstruppen nach Angaben von Beobachtern die Rebellen zurückgedrängt. Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch berichtete, gelang es den Truppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe bis Dienstagabend, mehrere Hügel und Dörfer südwestlich von Aleppo von den Aufständischen zurückzuerobern. Die syrische Führung habe Gegenangriffe gestartet, um die Großoffensive der Rebellen »zum Scheitern zu bringen«, hieß es.
Mit den jüngsten Erfolgen machten die Regierungstruppen die Eroberungen der syrischen Rebellen und der mit ihnen verbündeten dschihadistischen Kämpfer praktisch zunichte. Diese hatten ihre Offensive am Sonntag begonnen, um den Belagerungsring der Regierungstruppen zu durchbrechen. Ihr wichtigstes Ziel ist die Einnahme des von den Regierungstruppen gehaltenen Bezirks Ramussa, um eine neue Versorgungsroute zu öffnen.
Die staatsnahe Zeitung »Al-Watan« berichtete am Mittwoch, die Soldaten seien südlich und südwestlich von Aleppo wieder auf dem Vormarsch, nachdem die Rebellengruppen »schwere Niederlagen« erlitten hätten. Dem ebenfalls regierungsnahen Portal »almasdarnews« zufolge gelang es den Aufständischen, in Ramussa einzudringen und dort einen Tunnel zu sprengen. Nach schweren Kämpfen hätten sie sich aber zurückziehen müssen und die Regierungstruppen kontrollierten das Viertel nun wieder.
Der Beobachtungsstelle zufolge wurden bei nächtlichen Angriffen auf Bezirke, die von der Regierung gehalten werden, mindestens zehn Zivilisten getötet, darunter vier Kinder. Damit starben seit Sonntag bei Rebellenangriffen mehr als 40 Zivilisten. Die Angaben der in Syrien breit vernetzten Beobachtungsstelle sind von unabhängiger Seite kaum überprüfbar.
Russland hat unterdessen jede Beteiligung an einem möglichen Giftgas-Angriff in Syrien zurückgewiesen. Terrorgruppen in dem Bürgerkriegsland wollten Russland oder der syrischen Regierung immer wieder Provokationen unterschieben, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Anschuldigungen gegen Moskau oder Damaskus hätten nichts mit der Realität zu tun.
Ähnlich äußerte sich der syrische Botschafter in Moskau, Riad Haddad. Giftgas-Vorwürfe gegen die Regierung in Damaskus seien »reine Fiktion«, sagte der Diplomat. Dem Zivilschutz in Syrien zufolge hatte ein Hubschrauber am späten Montagabend zwei Fässer mit Chlor-Kanistern und Eisenkugeln über der Stadt Sarakeb in der Provinz Idlib abgeworfen. Dabei seien 33 Menschen verletzt worden, hieß es.
Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte die humanitäre Lage in Aleppo »sehr dramatisch«.
Hilfsorganisationen warnten derweil vor dem Missbrauch sogenannter humanitärer Korridore als Kriegswaffe durch Russland und das Assad-Regime. »Eine wirkliche humanitäre Hilfsaktion würde die Bewohner von Aleppo nicht zu der Wahl zwingen, entweder in die Arme ihrer Angreifer zu fliehen oder in den belagerten und bombardierten Stadtteilen zu bleiben«, erklärten rund 40 Organisationen, darunter Care, Save the Children und World Vision, in einem am Mittwoch verbreiteten Appell.
»Wir befürchten, dass die Korridore eine humanitäre Katastrophe nicht verhindern, sondern vielmehr die verbleibenden Menschen in große Gefahr bringen würden«, betonten die Hilfswerke.