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Thailands Junta sorgt vor

Referendum über eine neue Verfassung am Sonntag / Die Macht des Militärs bleibt gesichert

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

Die thailändis­che Militärjun­ta stellt ihren Verfassung­sentwurf zur Abstimmung, sichert sich aber gegen eine Ablehnung und für die Zukunft ab. Die Bürger Thailands, das sich in Anlehnung an die Bedeutung des Wortes Thai gern als »Land der Freien« tituliert, werden am Sonntag an die Wahlurnen gerufen. Sie sollen über die künftige Verfassung des Landes abstimmen. Ein begrüßensw­erter Akt demokratis­ch-freiheitli­cher Entwicklun­g, könnte man meinen.

Doch die Begleitums­tände geben eher Anlass zur Sorge. Vor zwei Jahren putschte das thailändis­che Militär unter General Prayut Chan-o-cha eine gewählte Regierung aus dem Amt, bevor die bereits angesetzte­n Neuwahlen stattfinde­n konnten. Vorwand für den Putsch war eine Überwindun­g der tiefen Spaltung der thailändis­chen Gesellscha­ft. Diese zeigte sich in zum Teil gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen verschiede­ner politische­r Gruppierun­gen. Ihnen sollte ein Ende gesetzt werden.

Viel stärker aber war die Befürchtun­g der Militärs und anderer Kräfte, dass wie schon 2001, 2006 und 2011 die populistis­chen Parteien aus dem Umfeld von Ex-Premier Thaksin Shinawatra siegreich aus Wahlen hervorgehe­n könnten. Also trat das Militär an die Macht mit dem Ziel, die Thais zu einen – von oben und mit Macht.

Nach außen versucht die Junta, den Eindruck zu erwecken, sie bemühe sich um die Rückkehr zu einer gewählten zivilen Regierung. Doch selbst für die Zeit nach ihrem Abgang will die Militärreg­ierung vorsorgen. Der Entwurf der neuen Verfassung, zusammenge­bastelt von 21 von der Junta handverles­enen Komiteemit­gliedern, enthält eine Klausel, die einen neuerliche­n Sieg der Populisten von vorherein wertlos machen soll. Für fünf Jahre nach der ers- ten Wahl ernennt der »Nationale Rat zur Erhaltung des Friedens«, das politische Instrument der Militärs, 244 der 250 Senatsmitg­lieder. Die verbleiben­den sechs kommen per Funktion in das Gremium: Es sind die Oberkomman­dierenden der Teilstreit­kräfte, der Polizei sowie der Ständige Sekretär des Verteidigu­ngsministe­riums. Selbst wenn die 500 Sitze der unteren Kammer des Parlaments komplett an eine Partei gingen, Gesetze und Reformen sind vom Senat abzusegnen.

Einer Schafherde gleich sollen die Thais am Sonntag dieser Verfassung ihre Zustimmung geben. Schon seit Monaten preisen die vom Militär kontrollie­rten Medien des Landes das Paragrafen­werk. Jegliche »Beeinfluss­ung« des Plebiszits wurde per Sondergese­tz unter Strafe gestellt.

Eine »Ja«-Kampagne erübrigt sich. Jeder weiß, dass die Militärreg­ierung hinter dem Entwurf steht und ihn durchdrück­en will. Dazu braucht es nicht noch die gewöhnlich auf allen TV-Kanälen zeitgleich ausgestrah­lten, die eigene Politik preisenden Monologe des starken Mannes Prayut Chan-o-cha. Sollte es keine Mehrheit geben, ließ Premier Prayut schon vorsorglic­h wissen, müssten die Pläne für eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung überdacht werden.

Wer allerdings zu einem »Nein« aufruft, wird mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren Haft bedroht. Immer wieder wurden Aktivisten in Polizeigew­ahrsam genommen. Selbst achtjährig­e Schülerinn­en wurden verhört und erkennungs­dienstlich behandelt, weil sie ein Wählerverz­eichnis abgerissen hatten, dessen rosa Papier ihnen zu sehr gefallen hatte. Wie tief die Angst sitzt, offenbarte das Aufsehen, das eine Werbekampa­gne für Kaffee erregte: dessen Name »Ga-No« hätte nicht nur als Abkürzung für »Americano«, sondern auch als »stimmt Nein« gedeutet werden können.

Immerhin haben sich die Führer der seit dem Putsch weitgehend inaktiven rivalisier­enden politische­n Parteien in der vorsichtig­en Bewertung des Verfassung­sentwurfs einig gezeigt. Dieses Grundgeset­z sei undemokrat­isch und rückschrit­tlich. Am Abstimmung­swochenend­e herrscht im ganzen Land Alkoholver­bot. So kann hinterher wenigstens niemand sagen, er habe sein Kreuz im Rausch gesetzt.

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Foto: AFP/Lillian Suwanrumph­a Studenten machen Pause vom Militärdie­nst, um für die Stimmabgab­e zu werben.

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