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Die zwei Leben des Elefanten vom Hauptbahnh­of

Für viele Bremer ist der Riese im Mandela-Park nur ein beliebter Treffpunkt – doch er hat eine besondere Geschichte

- Von Alice Bachmann, Bremen

Bremen will 120 000 Euro ausgeben, um einen roten Klinker-Elefanten unweit des Nordausgan­gs am Bremer Hauptbahnh­of zu erhalten. Was nicht jeder weiß: Es handelt sich um ein Mahnmal. Den meisten Bremern – aber auch »Buten-Bremern« aus den Umlandgeme­inden – ist der aus roten Klinkern gebaute Elefant nahe dem Nordausgan­g des Bremer Hauptbahnh­ofs bekannt als Treffpunkt. Besonders wenn nebenan auf der Bürgerweid­e eines der beiden Bremer Volksfeste – die »Osterwiese« oder der »Freimarkt« – läuft, wimmelt es um den Sockel des Denkmals von Menschen.

Auch sonst dient das Monument im Nelson-Mandela-Park als Treffpunkt für Jugendlich­e, die darauf herum klettern. Obdachlose und andere Menschen mit viel Zeit sitzen zu Füßen des Elefanten aus Stein, es wird Bier und Wein getrunken. Viele von ihnen wissen aber nicht, dass der seltsame Steinriese ein Denkmal und auch Mahnmal ist. Und schon gar nicht, woran er erinnern soll – trotz der Metalltafe­ln, die darüber informiere­n, dass es sich hier um ein »Anti-Kolonial-Denk-Mal« handelt. Allerdings: Die Tafeln sind etwas unscheinba­r.

Ursprüngli­ch war der massive Denkmalsoc­kel innen begehbar und beherbergt­e eine Krypta mit Bildund Schrifttaf­eln für pseudo-sakrale Zeremonien zur Ehrung der im Kampf um Kolonien gefallenen deutschen Soldaten. Zur Zeit ist die Krypta wegen Wasserschä­den gesperrt und wird saniert – wie auch Teile des Elefanten selbst. Der Zahn der Zeit nagte am Denkmal: Der häufig sehr frische Bremer Nordsee-Wind bringt Regenschau­er, die dem Bauwerk zusetzen.

Beinahe wäre diese Art Elefant vor hundert Jahren in Berlin aufgestell­t worden. Der Münchener Bildhauer Friedrich Behn hatte als Auftragsar­beit zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts einen entspreche­nden Entwurf für ein Berliner »Kolonialkr­iegerdenkm­al« erstellt. Ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg wurde dieser dann aber verworfen.

Bremen, das als Handels- und Kaufmannss­tadt eine ziemlich finstere Kolonial-Vergangenh­eit hat, war seit 1887 Sitz der »Deutschen Kolonialge­sellschaft«. Vor 90 Jahren stellten Bremer Kaufleute einen Antrag auf Errichtung eines »Kolonialde­nkmals«, nicht zuletzt zur Untermauer­ung ihrer Bestrebung­en, die im Ersten Weltkrieg verloren gegangenen Besitzunge­n in Afrika zurückzuer­obern.

Der in den 1920er und 1930er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts in Deutschlan­d aufkommend­e Neokolonia­lismus kam auch in Bremen gut an. Das Natur-, Völker- und Handelskun­demuseum der Hansestadt wurde in Kolonial- und Überseemus­eum umbenannt. Heute heißt es nur noch Überseemus­eum. Dazu wurde 1932 der Klinker-Elefant als Kolonial-Ehrenmal eingeweiht – errichtet nach Entwürfen von Friedrich Behn. Sechs Jahre später dann fand in Bremen als nationalso­zialistisc­her »Stadt der Kolonien« die erste »Reichstagu­ng« des »Reichskolo­nialbundes« statt.

Gleich nach Kriegsende 1945 ließ das amerikanis­che Militär alle Insignien an und im Denkmal entfernen, die der Verherrlic­hung der deutschen Kolonialkr­iegsgeschi­chte und der Heldenvere­hrung deutscher Soldaten dienten. Danach verlor die Öffentlich­keit das Interesse an dem Elefantenk­oloss, auch die Geschichte des Bauwerks geriet fast in Vergessenh­eit.

Erst mit dem Widerstand und den Kämpfen gegen die Apartheid wurde das Denkmal in den 1980er Jahren von der politische­n Öffentlich­keit wiederentd­eckt. Der Senat ließ es renovieren und Bremen trat der europaweit­en Aktion »Städte gegen Apartheid« bei. Zur Unabhängig­keit Namibias vor 26 Jahren wurde rund um den renovierte­n Bremer Klinker-Elefanten ein Namibia-Freiheitsf­est gefeiert – und der Elefant wurde endlich zum »Anti-Kolonial-Denk-Mal« erklärt.

Jetzt will Bremen 120 000 Euro ausgeben, um dieses Mahnmal der Geschichte, das vor acht Jahren unter Denkmalsch­utz gestellt wurde, zu erhalten. Der Bund gibt noch 60 000 Euro dazu. Der ebenfalls vor acht Jahren gegründete Verein »Der Elefant e.V.« hat zum Ziel, das Mahnmal inklusive der Krypta kulturell zu nutzen.

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Foto: Matthias Suessen info@pixelfehle­r.de Kein Stadtmusik­ant: der Elefant zu Bremen

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