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Vom Aussterben bedroht

Erste weltweite Auswilderu­ng Persischer Leoparden im russischen Nordwestka­ukasus

- Von Elke Windisch, Moskau

Im russischen Nordwestka­ukasus sind drei Persische Leoparden ausgewilde­rt worden. Sie sollen den Grundstock für eine stabile Population in freier Wildbahn bilden. Die Art ist vom Aussterben bedroht. Angst? Unsicherhe­it? Wenigstens eine halbe Drehung des Kopfes zurück zu den Gefährten? Nichts da! Victorias Blick kennt nur eine Richtung: Nach vorn auf das hüfthohe Gras und den lichten Bergwald. Der hat sie bereits verschluck­t, als Achun und Killi ihr nach ein paar Minuten folgen. Erleichter­t sammeln die Zweibeiner ihre Gerätschaf­ten ein, das Vorhaben scheint geglückt: Die weltweit erste Auswilderu­ng von in Gefangensc­haft geborenen Persischen Leoparden. Eine akut vom Aussterben bedrohte Art. Nun sollen die Großkatzen, die sich von der Verwandtsc­haft vor allem durch hellere Zeichnung des Felles abheben, wieder dort angesiedel­t werden, wo sie einst heimisch waren. Im russischen Nordwestka­ukasus.

Das ambitionie­rte Vorhaben ist ein Gemeinscha­ftsprojekt der Russischen Akademie der Wissenscha­ften und der russischen Sektion von WWF – World Wide Fund for Nature – eine der größten global agierenden Naturschut­zorganisat­ionen. 2005 begann die Planung, 2009 zogen erste Bewohner in das neu geschaffen­e Reprodukti­onszentrum im National- park Nordwestka­ukasus nahe Sotschi ein: Zwei männliche Tiere aus Turkmenist­an und zwei weibliche aus Iran. Später stieß ein Pärchen aus dem Zoo von Lissabon dazu. Erster Nachwuchs kam 2013 zur Welt, Anfang dieses Jahres tollten in der Kinderstub­e schon 16 Leopardenb­abys. Die ersten sind bereits geschlecht­sreif und wurden nun ausgewilde­rt.

Naturschüt­zer und Wissenscha­ftler haben die Tiere gründlich auf das Leben in freier Natur vorbereite­t. Erwachsene Zootiere und in Gefangensc­haft geborene hätten ihren Jagdinstin­kt verloren, sagt Igor Tschestin, Generaldir­ektor von WWF Russia. Als Lehrer für die Jungtiere – beim Beutemache­n etwa – seien sie daher nicht tauglich. Der Mensch musste sich daher selbst bemühen und gleichzeit­ig den Kontakt zu seinen Schützling­en auf das absolute Minimum beschränke­n. Denn in Gefangensc­haft verliert Panthera pardus saxicolor, so der wissenscha­ftliche Name für den Persischen Leoparden, auch die Scheu vor Homo sapiens.

Doch was ist mit Wladimir Putin? Vor Eröffnung der Olympische­n Winterspie­le 2014 kuschelte er mit Jungleopar­d Grom. Grom – zu Deutsch »Donner« – sei ein Sonderfall, erklärt Tschestin. Seine Mutter habe ihn nicht angenommen. Er musste mit der Flasche großgezoge­nen werden und bekam vor der Entlassung zu Mutter Natur Zusatztrai­ning. Die Auswilderu­ng im Juli sei erst der Anfang. Eine stabile Population von mindestens 50 Tieren sei erforderli­ch, damit die Art im Nordwestka­ukasus wieder heimisch wird. Der letzte Persische Leopard sei dort vor einem Menschenal­ter gesichtet worden und auch in anderen Regionen auf dem Rückzug.

Der Mensch und dessen Infrastruk­tur dringen seit Mitte des 20. Jahrhunder­ts unaufhalts­am in seinen Lebensraum vor. Die Folge: Die einst im gesamten Kaukasus und in Vorderasie­n verbreitet­en Persischen Leoparden leben heute in isolierten Gruppen. Zwischen ihren Revieren liegen hunderte Kilometer. Von den weltweit noch maximal 1300 Tiere leben zwei Drittel in Iran, vor allem im Nationalpa­rk Golestan im Nordosten. Bei den Nachbarn Armenien und Aserbaidsc­han sind es noch je ein knappes Dutzend. In Georgien und in der Türkei gelten sie als ausgerotte­t.

So wie der Kaspische Tiger. Das letzte Exemplar wurde 1970 gesichtet und wahrschein­lich von Trophäenjä­gern zur Strecke gebracht. Das, so Tschestin, werde sich – zumindest in Russland – mit dem Persischen Leoparden nicht wiederhole­n. Das Zentrum behält die Tiere auch nach der Auswilderu­ng im Auge. Ein Halsband mit Sender übermittel­t Standort und Routen. GLONASS – das russische Pendant zu GPS – macht’s möglich. Auch wurden 24 »Fotofallen« aufgestell­t. Für Notfälle steht sogar eine mobile Rettungsei­nheit bereit.

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Foto: Credit line Die Tiere bekommen Halsbänder mit Sendern.

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