nd.DerTag

Erzkatholi­sch

- Von Martin Ling

Die persönlich­ste Reaktion kam von ihrer Tochter: »Ich empfinde in meinem Bewusstsei­n den Schmerz und die Härte der historisch­en Erinnerung: Das Schweigen meiner Mutter über den sexuellen Missbrauch, den ich 1998 öffentlich machte.« Mit diesen Worten kommentier­te Zoilaméric­a Narváez Murillo auf Facebook die Kandidatur von Rosario Murillo für das Amt des Vizepräsid­enten in Nicaragua. Vorgeschla­gen hatte Murillo Daniel Ortega, Nicaraguas seit 2006 ununterbro­chen amtierende­r Präsident. Ihrem Stiefvater wirft Narváez vor, sich an ihr ab dem Alter von elf Jahren mehrfach vergangen zu haben. Gerichtsfe­st konnte das nie bewiesen werden.

Daniel Ortegas Argument für die Kandidatur seiner Frau ist kühn: Ihre Kandidatur verwirklic­he das Prinzip der Gleichheit der Geschlecht­er, sagte er vor dem Obersten Wahlrat in der Hauptstadt Managua. Eine Gleichheit zwischen Präsident*in und Vizepräsid­ent*in gibt es derweil weder zwischen Amt noch per Geschlecht, aber besser als Vetternwir­tschaft oder Familienpa­tronage klingt Gleichheit der Geschlecht­er allemal.

Der Einfluss von Rosario Murillo, die Ortega 1978, ein Jahr vor der sandinisti­schen Revolution, im costa-ricanische­n Exil kennenlern­te, ist bekanntlic­h groß. Die 65-jährige Dichterin ist derzeit nicht nur First Lady, sondern auch Regierungs­sprecherin, und sie leitet Kabinettss­itzungen.

Murillo soll hinter dem Wandel des Guerillero­s Ortega zu einem tiefgläubi­gen Katholiken stehen. In der Kathedrale von Managua wurde die kirchliche Hochzeit am 3. September 2005 nachgeholt. Seitdem hält sich die katholisch­e Kirche mit der Kritik an der sandinisti­schen Regierung merklich zurück. Sie hat auch keinen Grund: Wenige Tage vor den Wahlen 2006 wurde ein totales Abtreibung­sverbot per Gesetz erlassen. Das bis dahin geltende Gesetz, das die Schwangers­chaftsunte­rbrechung bei Gefahr für die Mutter straffrei stellte, war passé. 1990 titelte die konservati­ve »La Prensa« noch: »Jesus würde UNO (Opposition­sbündnis, d. Red.) wählen!« 2016 ist das nicht mehr nötig.

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Foto: dpa/Ernesto Mastrascus­a Rosario Murillo schickt sich an, Nicaraguas Vizepräsid­entin zu werden.

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