For Eyes only
Der Vorgang, welcher im Zentrum dieses Buches steht, liegt sechzig Jahre zurück, und sein Protagonist starb vor zehn Jahren. Horst Hesse war auch zu Lebzeiten nur wenigen bekannt, obgleich er doch die Vorlage lieferte für einen der berühmtesten und erfolgreichsten Spielfilme der DEFA. So drängt sich denn die Frage auf, ob es überhaupt Sinn macht, an Hesse und sein Kabinettstückchen in den 50er Jahren zu erinnern. Tempi passati, aus und vorbei, gilt wohl auch in diesem Falle, könnte man meinen. Wirklich?
Der Kriegsversehrte Horst Hesse, ein unbescholtener Feinmechaniker aus Magdeburg, geriet damals ins Mahlwerk des Kalten Krieges. Die Geheimdienste traten in sein Leben, erst die westlichen, dann die östlichen, und gaben seinem Dasein eine Richtung, die es anderenfalls nicht genommen hätte. Die missliche Begegnung mit Agenten aus Übersee veranlasste ihn, sich dem östlichen Dienst anzuvertrauen, worauf der ihn als Kundschafter in den Westen schickte ...
Hesse »floh« nach Westen, weil er meinte, seinem Staat und dem Frieden zu nützen, wenn er aus der Residentur des Klassenfeindes berichtete, was dieser so trieb und was er gegen die DDR plante. Hesse ließ Familie und Freunde zurück und die Annahme, er sei ein Verräter und habe Kinder und Frau im Stich gelassen wie manch anderer auch. Sein bis dahin tadelloser Ruf war ruiniert. Dessen war sich Horst Hesse durchaus bewusst. Und trotzdem nahm er das Los an. Damals hieß das »Parteiauftrag«.
In kurzer Zeit machte er in der Würzburger Filiale eines militärischen Geheimdienstes Karriere. Im Unterschied zu den Abenteurern, die dort tätig und oft genug gesellschaftliches Strandgut waren, verrichtete Hesse die ihm übertragenen Aufgaben korrekt und verlässlich. Sein Aufstieg als US-Agent wurde allerdings jäh gebremst. Von der Zentrale in Ostberlin: Er solle nicht seiner Delegierung in die USA nachkommen, sondern besser nach Hause zurückkehren. Und zwar mit allem, was an brisantem Material herumliegt. Das befand sich in zwei Tresoren, und da sich diese nicht öffnen ließen, lud er sie ins Auto und fuhr damit über die Grenze ... Aus dem Vorwort von Peter Böhm zu seinem Buch »For Eyes only. Die wahre Geschichte des Agenten Horst Hesse« (Edition Ost, 255 S., br., 16,99 €).