Nicht nur nach Schuldigen suchen
Wir bei Perspective Daily wollen die Welt nicht schlechter reden, als sie eigentlich ist. Stattdessen wollen wir weg vom lähmenden Zynismus, hin zu »einfach mal anfangen«. Deshalb haben wir uns als bunte Schar aus Autoren auf den Weg gemacht. Als Team mit Neurowissenschaftlern, Juristen, Physikern und Geisteswissenschaftlern schreiben wir über Themen aus unseren Fachgebieten.
Stehen wir also auf Kuschelpropaganda, wie Sebastian Bähr es formuliert? Mitnichten. Sind wir neoliberal, konservativ oder doch sozialistisch? Wir beschäftigen uns lieber mit Argumenten als mit gesellschaftlichen Schubladen. Und genau das macht auch Perspective Daily aus: Uns interessieren Ideen, Konzepte, Lösungen – und andere Perspektiven.
So wie die Perspektive von Sebastian Bähr, der seine Bedenken gegenüber einem Journalismus äußert, der sich das Aufzeigen potenzieller Lösungen auf die Fahne schreibt. So mutmaßt er, dass wir uns angesichts der Komplexität der Probleme den falschen Lösungen widmen würden. Eher würden wir CO2-Filter eines Berliner Start-ups als Lösung für den Klimawandel vorstellen, anstatt uns systembedingten Ursachen zu widmen. Dies sei, so der Befund, »neoliberal« und »anti-aufklärerisch«.
Es entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer gewissen Komik, dass einer unserer ersten Artikel für den systematischen Ansatz eines C02Emissions-Zertifikats-Handels auf globaler Ebene wirbt. In einem anderen Beitrag wird die strukturelle Überbewertung unserer fossilen Ressourcen thematisiert. Unsere Recherche ist dabei transparent: Quellen sind direkt neben dem Text verlinkt, sodass sich der Leser weiter informieren kann.
Wir sind der Überzeugung: Mutmaßungen wie diese dürfen keinen Platz im Journalismus haben: »Möglicherweise sind Autoren [bei Perspective Daily] auch selbst mit Unternehmen oder Organisationen verbandelt, deren Lösungen sie präsentieren. Das ist dann direkter Kampagnen-Journalismus.« Ein Satz, den wir nicht schreiben würden, denn er ist Spekulation. Wir sind stolz darauf, nur von unseren derzeit 14 000 zahlenden Mitglieder abhängig zu sein. So sind wir nur unserer Recherche verpflichtet und nicht auf Werbung angewiesen.
Die wichtigste Innovation des Konstruktiven Journalismus liegt aber weder in den Anforderungen an die Recherchequalität noch darin, Mutmaßungen nicht zu verschriftlichen. Diese Grundsätze befolgen klassische Medien im besten Fall ebenso. Beim Konstruktiven Journalismus geht es auch nicht um positive Berichterstattung, bei der die Welt durch eine rosarote Brille betrachtet wird. Ja, es geht der Menschheit historisch gesehen vergleichsweise gut: Die Analphabetenquote sinkt stetig, ebenso die Geburtensterblichkeit; es gibt historisch wenige Kriegstote. Solche Entwicklungen ebenfalls zu benennen, halten wir für relevant. Doch daneben widmen wir uns Themen wie Ressourcenknappheit, Terror, Rassismus, Datensicherheit, Wohnungsmangel und Klimawandel. Wir veröffentlichen nur einen Artikel pro Tag, geschrieben von Fachautoren. Dadurch können wir uns darauf konzentrieren, Probleme einzuordnen, Zusammenhänge zu erläutern, die quantitative Relevanz darzustellen und die tieferen Ursachen herauszuarbeiten.
Auch uns ist bewusst, wie gewaltig die Herausforderungen sind, vor denen wir aktuell stehen – tatsächlich haben wir Perspective Daily genau aus dieser Erkenntnis heraus gegründet. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir mehr über die Zukunft nachdenken und reden müssen. Die zusätzliche Frage, die der Konstruktive Journalismus beantwortet, lautet: »Wie kann es weitergehen?« Dabei besteht kein Anspruch auf Deutungshoheit, es geht nicht um Bevormundung, sondern um den Dialog mit unseren Mitgliedern. Die kommentieren unsere Beiträge differenziert, zustimmend oder kritisch, aber stets konstruktiv.
Vor diesem Hintergrund waren wir am vergangenen Donnerstag verwundert über die Vorstellungen vom Konstruktiven Journalismus, die Sebastian Bähr schildert. Aber in einem Punkt sind wir uns einig: »Gesellschaftlicher Wandel entsteht nicht am Reißbrett, sondern in Auseinandersetzungen […].« Wir danken daher für die Möglichkeit, uns hier zu Wort melden zu können und unsere Perspektive erläutern zu dürfen. Wir stehen für eine nicht ideologisierte Diskussionskultur und sind jederzeit zum konstruktiven Dialog bereit – denn es ist immer besser, mit- als übereinander zu reden.