Über Felder und Strände
Im Sommer 1847 brechen sie auf, die Bretagne zu Fuß zu entdecken: Gustave Flaubert und sein Freund Maxime du Camp fangen ihre Wanderung im Süden an, halten sich meist an die Küste und gehen »Über Felder und Strände« – so der Titel ihrer jetzt erstmals vollständig auf Deutsch veröffentlichten gemeinsamen Reiseberichte. Sie sind Mitte Zwanzig, haben erste literarische Arbeiten verfasst und eine glänzende Zukunft vor sich. Im Schatten von »Madame Bovary« oder der »Éducation sentimentale« sind die Reiseberichte aus der Bretagne in Deutschland lange links liegen gelassen worden – zu Unrecht! Welcher Reichtum erschließt sich aus den Beobachtungen der Freunde, welch schöne Impressionen vermitteln sich dem Leser, wie viel Geschichte und Kultur, wie viele Menschen lernt der Leser kennen!
Drei Monate sind sie unterwegs. So »unerhört« es auch für die Arbeitenden auf den Feldern gewesen sein mag, zwei Müßiggänger spazieren zu sehen, so literarisch setzten die beiden ihre in vollen Zügen genossene Freiheit um. Dabei sparen sie nicht mit Kritik. Manche Herberge ist eigentlich unbewohnbar, manches Essen nicht genießbar und manche Kirche einfach hässlich.
Doch die Natur ist – hier bei Saint-Malo – überwältigend und inspiriert zur schönsten gesungenen Prosa: »Der Himmel war rosig, das Meer still und der Wind eingeschlafen. Nicht eine Falte kräuselte die reglose Fläche des Ozeans, welche die untergehende Sonne mit ihrem Gold überschüttete; bläulich nur an den Seiten und dort gleichsam im Nebel verdunstend, war das Meer sonst überall rot und noch feuriger hinten am Horizont, wo sich, so weit man sehen konnte, ein langer Purpurstreifen erstreckte.« Selbst für die »Tugendhaftigkeit« der bretonischen Mädchen haben die Wanderer ein Ohr, wenn ein Lehrer und ein Gastwirt in der Schenke »einhellig erklären, dass die bretonischen jungen Mädchen gerne hinter den Hecken und auf den Strohballen Gott Amor ihr Opfer brächten«.
Neun Jahre später hat Du Camp seine Zeit als Revolutionär von 1848 hinter sich und wird in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift »La Revue de Paris« Flauberts »Madame Bovary« veröffentlichen und den Staatsanwalt wegen »Verherrlichung des Ehebruchs« auf den Plan rufen. Die Weltliteratur ist um eines ihrer großen Werke bereichert. Die literarische Kraft dazu hatte Flaubert auf seinen Wanderungen in der Bretagne geschöpft.