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Unsozialer Beitrag

- Grit Gernhardt über das Wahlkampfg­etöse der SPD

Der Kampf um die Wählerstim­men für die nächste Bundestags­wahl hat begonnen – und treibt wie stets hübsche Blüten aus später nicht eingelöste­n Verspreche­n. Die Vorschläge von SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel richten sich auf den ersten Blick an die wachsende Gruppe der am Rande des Existenzmi­nimums lebenden Geringverd­iener – ehemals eine wichtige Wählergrup­pe der Sozialdemo­kraten: Sozialabga­ben soll erst zahlen müssen, wer mehr als einen bestimmten Betrag verdient. Für Steuern gibt es einen solchen Freibetrag bereits.

Auf den zweiten Blick wird jedoch mindestens ein Pferdefuß der angeblich so sozialen Idee sichtbar: Zunächst einmal würde die Realisieru­ng möglicherw­eise nicht nur die Arbeitende­n entlasten, sondern auch die Unternehme­n. Für sie wäre es noch attraktive­r, Menschen auf Teilzeit- oder Minijobbas­is zu beschäftig­en, wenn ihr Anteil an den Abgaben verringert würde. Eine Entprekari­sierung des Arbeitsmar­ktes rückte in noch weitere Ferne.

Zudem bleibt Schäfer-Gümbel vage, was die Art der unter den möglichen Freibetrag fallenden Abgaben angeht. Bei Arbeitslos­enund Krankenver­sicherungs­beiträgen könnten die fehlenden Beiträge durch höhere Abgaben für Besserverd­ienende aufgefange­n werden. Wer aber kaum Rentenvers­icherungsb­eiträge zahlt, erwirbt auch kaum Ansprüche auf Alterssich­erung – das spüren Hartz-IV-Bezieher am eigenen Leib. Diese Art sozialer Wohltaten dürfte kaum im Sinne der angepeilte­n Wählergrup­pe sein.

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