Freibeträge für Geringverdiener
SPD-Vize will Familien und Einkommensschwache entlasten
Düsseldorf. Zur Entlastung von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen hat SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel Freibeträge für Sozialabgaben ins Gespräch gebracht. »Das wäre ein Instrument, das wirklich hilft«, sagte er der »Rheinischen Post«. Haushalte mit niedrigen Einkommen seien überproportional durch Sozialabgaben belastet. Auch eine Reduzierung der Abgaben für Familien mit Kindern sei denkbar. Zudem sprach er sich für »eine große, mutige Einkommenssteuerreform« aus. Finanziert werden könne dies durch eine »leistungsgerechtere Beteiligung höherer Einkommen und Vermögen« sowie eine wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung.
Unterdessen hat die Bundesbank eine neue Debatte um die Alterssicherung losgetreten: In ihrem Monatsbericht empfahl sie, das Renteneintrittsalter bis 2060 auf 69 Jahre anzuheben. Anpassungen seien unvermeidlich. Die Bundesregierung wies die Vorschläge zurück – man stehe zur Rente mit 67, hieß es.
Der CDU-Politiker Hardy Peter Güssau tritt als Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt zurück. Mitverantwortung für die Wahlaffäre in Stendal übernimmt er allerdings weiterhin nicht. Dem finalen Kräftemessen kam Hardy Peter Güssau um 26 Minuten zuvor. Am Montag um 12.34 Uhr verschickte der Landtag von SachsenAnhalt eine Erklärung seines Präsidenten, in der dieser seinen Rücktritt erklärte. Für 13 Uhr war eine Sitzung des Ältestenrates angesetzt, in der dieser darüber beraten sollte, wie viel Vertrauen die Abgeordneten noch in den CDU-Politiker haben. Das Ergebnis wäre für Güssau wenig schmeichelhaft gewesen. Er zog von sich aus die Reißleine – im allerletzten Moment und nach wiederholten Weigerungen.
Güssau ist über einen Wahlskandal in seiner Heimatstadt Stendal gestolpert – was der 53-jährige Gymnasiallehrer freilich auch in der Stunde seines politischen Falls nicht akzeptiert. Er habe sich »keiner Straftat schuldig gemacht« und sei »kein Be- schuldigter« in einem Verfahren, beharrte er. Das behauptet indes auch keiner. Güssau wird vielmehr der Versuch vorgeworfen, Manipulationen eines Parteifreundes bei der Kommunalwahl in Stendal am 25. Mai 2014 vertuscht zu habe; zudem soll er als einflussreicher Stadtchef der CDU Druck auf Wahlleiter ausgeübt haben, um eine Wiederholung der Wahl zu verhindern. Güssau bezeichnet das als unzutreffend. Er habe, beteuerte er jetzt noch einmal, »nicht vertuscht, nicht getarnt und auch nicht getrickst«.
Den Glauben daran hatten viele Abgeordnete und zuletzt auch viele seine CDU-Fraktionskollegen aber verloren. Zwar hatte Güssau sich vor den Fraktionen teils stundenlang zu rechtfertigen gesucht. Die CDU hatte ihm danach zunächst auch das Vertrauen ausgesprochen. Bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne aber überwogen Zweifel.
Spätestens, als SPD-Landeschef Burkhard Lischka den Rücktritt Güssaus forderte, war klar, dass die Affäre zur Belastungsprobe für die bundesweit erste Kenia-Koalition geworden war. Die Genossen drohten offen, ein Abwahlverfahren ge- gen Güssau zu unterstützen. Dessen Fraktion hatte dem Präsidenten zuletzt eine Liste offener Fragen übermittelt, die dieser fristgemäß bis Sonntag beantwortete. Eine Wende konnte er damit nicht mehr bewirken. Die Daumen im Ältestenrat, dem Vertreter aller fünf Fraktionen angehören, drohten sich mehrheitlich zu senken.
Die Reaktionen auf den angekündigten Abgang, der laut CDU-Fraktion zum 21. August erfolgen soll, waren geteilt. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach Güssau Respekt dafür aus, dass er seine »persönliche Sicht auf die Dinge« dem Landeswohl untergeordnet habe. Da- gegen merkte LINKE-Fraktionschef Swen Knöchel an, Respekt sei »das Wort des Tages – vor zwei Wochen hätte ich es auch benutzt«. Cornelia Lüddemann, Fraktionschefin der Grünen, sieht eine »unwürdige Hängepartie« beendet. Grünen-Landeschef Christian Franke äußerte sich erleichtert, dass Güssau die Reißleine gezogen habe: »Aber der Schaden für das Amt bleibt.« Bereits in der vergangenen Wahlperiode hatte ein Präsident des Landtags zurücktreten müssen. Der CDU-Mann Detlef Gürth stolperte über eine Steueraffäre; auch er weigerte sich aber lange, die nötige Konsequenz zu ziehen.
Folge der jetzigen Demission ist der kuriose Zustand, dass vom ursprünglichen Dreigestirn an der Spitze des Landtags nur noch Vizepräsident Wulf Gallert (LINKE) im Amt ist. Daniel Rausch, der von der AfD gestellte andere Vizepräsident, hatte kurz nach Beginn seiner Amtszeit hingeworfen. Als Nachfolger will sich im September der AfD-Landeschef André Poggenburg zur Wahl stellen. Vermutlich wählt dann der Landtag auch gleich einen neuen Präsidenten. Wen die CDU ins Rennen schickt, ist bislang unklar.
Das Ergebnis wäre für Güssau wenig schmeichelhaft gewesen. Er zog von sich aus die Reißleine – im allerletzten Moment und nach wiederholten Weigerungen.