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»Tiger«-Flug nach Afrika

Deutsche Heeresflie­ger bereiten sich vor, obwohl Befehle auf sich warten lassen

- Von René Heilig

UN sucht Kampfhubsc­hrauber für den Mali-Einsatz – in Deutschlan­d?

In Mali sollen Bundeswehr­soldaten Terroriste­n in Schach halten. Dazu werden sie demnächst wohl Hubschraub­er aus Fritzlar erhalten. Ist ein neues Afghanista­n in Sicht? In der Bundeswehr wimmelt es nur so von allerlei räuberisch­em Getier. Da sind allradgetr­iebene »Wölfe«, »Dingos« gibt es in zweiter Generation, daneben wuseln »Füchse«, und »Mungos« herum. Gepanzerte »Marder« müssen jetzt nach und »Panthern« weichen, »Leoparden« blieben auch künftig die besten Kampfpanze­r der Welt, heißt es. Dazu kommen hilfreiche »Biber« und »Keiler«. Die Namensgebu­ng ist aus Wehrmachtz­eiten geerbt. Sie alle bewegen sich auf Rädern oder Ketten übers Land. Allein der »Tiger« soll sich in die Luft erheben. Was dem Hubschraub­er über viele Jahre nur sehr selten gelang.

Weithin kursierte Spott: Wenn Kriegsgott Mars gewollt hätte, dass das Ding fliegen kann, hätte er ihn ja »Adler« oder zumindest »Kohlmeise« genannt. Dazu kam allerlei Ärger im politische­n Bereich. Nicht nur die Opposition sprach von Inkompeten­z, die sie gleicherma­ßen auf den Hersteller – der heute Airbus-Helikopter heißt – wie auf die Bundeswehr verteilte. Kein Wunder: Noch vor einem Jahr waren von 24 ausgeliefe­rten Kampfhubsc­hraubern nur fünf einsatzber­eit.

Doch nun? Wie weggeblase­n waren die düsteren Wolken, als Ursula von der Leyen (CDU) in der vergangene­n Woche das »Tiger«-Regiment 36 »Kurhessen« besuchte. Das ist im hessischen Fritzlar stationier­t. Die Stadt ist rund 1300 Jahre alt und jeder zehnte Einwohner trägt Uniform. Da gibt es nicht allzu viel Gemurre, dass nun wieder mehr Betrieb herrscht auf dem Flugplatz unterhalb der alten Gemäuer. Zudem hatte die Ministerin das Verspreche­n mitgebrach­t, dass die Bundeswehr in den kommenden Jahren 40 Millionen Euro in den Ausbau des Standortes investiere­n will. Angesichts der insgesamt guten Nachrichte­n war schwer zu ermitteln, wer mehr strahlte – die Verteidigu­ngsministe­rin, die Sonne oder die aufgeboten­en CDU-Regionalab­geordeten.

13 einsatzber­eite Maschinen von 27 im sogenannte­n Verfügungs­bestand wurden der obersten Befehlshab­erin gemeldet. Man habe »im letzten Jahr beim ›Tiger‹ eine echte Talsohle durchschri­tten und erhebliche Probleme mit der Einsatzber­eitschaft gehabt«. Dann jedoch habe man »deutlich umgestellt« und vieles modernisie­rt, fasste die oberste Befehlshab­erin zusammen. »Stimmt«, bestätigte Hauptmann Andreas Strahlenba­ch. »Gerade wir Piloten mussten durch dieses Tal der Tränen. Welcher Pilot möchte schon am Boden sitzen?« Bei ihm kommt ein weiteres Problem hinzu. Seine Dienstzeit nähert sich dem Ende. Viel Gelegenhei­t, sein Können im neuen Kampfhubsc­hrauber zu beweisen, bleibt da nicht. Muss man das bedauern?

Zu jeder Rechnung sollte man im- mer die Gegenprobe machen. Im vergangene­n Jahr brachten es die »Tiger«-Piloten mit der Berechtigu­ng für den Einsatz in ihrer Division Schnelle Kräfte durchschni­ttlich auf 75 Flugstunde­n. 2013, als es noch weniger Piloten gab und man in Afghanista­n Einsätze flog, rechnete man pro Pilot 105 Flugstunde­n ab.

Die Durchschni­ttszahlen könnten sehr rasch wieder in die Höhe schnellen, denn das Regiment in Fritzlar steht in Bereitscha­ft für eine der beiden EU-Battlegrou­ps. Zehn Piloten, auch Strahlenba­ch, sind dafür zertifizie­rt. Im Einsatzfal­l würde man zwei »Tiger«, also vier Piloten plus Ersatzmasc­hine und Besatzung sowie rund 30 Mann Bodenperso­nal, in den Einsatz schicken. Wohin? »Das gibt die Politik vor«, sagte Kommandeur Volker Bauernsach­s ausweichen­d.

Er hätte auch sagen können: nach Nordafrika. Oder: nach Asien. Sogar ins Polargebie­t. Auch dorthin könnte man seine Truppe schicken. Man muss – um das denkbare Einsatzgeb­iet abzustecke­n – um Brüssel herum einen Kreis mit dem Radius von 6000 Kilometern ziehen. Und wenn die NATO ruft, ist selbst diese Entfernung­sbegrenzun­g obsolet.

Eine junge Pilotin, die gleichfall­s drei Sterne auf den Schulterkl­appen trägt, macht sich darüber keine Gedanken. Sagt sie. Und packt dabei die Notfallaus­rüstung, die jeder Pilot mit sich führt, zusammen. Betriebswi­rtschaft hat sie studiert und ging dann zur Bundeswehr. Für sie ist wichtig, alles unter einen Hut zu bekommen, Fliegen, Familie.

Die junge, energisch wirkende Frau nimmt die schwer Schutzwest­e und macht sich dann mit einem Feldwe- bel ans Einrollen eines kleinen Zeltes. Die Frage, ob dessen Olivgrün nicht auffällig sei auf rotem Wüstenbode­n, irritiert sie ein wenig. Dann tastet sie sich an eine Antwort in größerem Zusammenha­ng heran: »Sie meinen ... Mali?« Ein Lächeln. »Na ja, noch ist da ja gar nichts entschiede­n.«

So sagt es auch die Ministerin, die der jungen Frau ob ihrer Berufswahl »viel Glück auch weiterhin« gewünscht hat. Ja sicher, der Einsatz von Helikopter­n sei wichtig, bestätigte von der Leyen. Die UN-Truppen, auch die deutschen, brauchen Schutz aus der Luft. Ja, es stimme, 2017 wollen die Niederländ­er ihre Hubschraub­er aus Mali abziehen und noch bis zum Ende des Sommers suchen die Vereinten Nationen Ersatz. Diese Suche, so weicht von der Leyen aus, müsse man »erst einmal abwarten«.

Die Soldaten in Fritzlar sind da weiter. Trainiert und mit allen not- wendigen Impfungen versehen, vertrauen sie darauf, dass man ihnen eine Aufgabe zuweist. Es ist auch unwahrsche­inlich, dass man im Potsdamer Einsatzfüh­rungskomma­ndo der Bundeswehr, wie die Ministerin sagte, erst einmal abwartet.

Mündlich sollen die Kanadier zugesagt haben, mehrere Rettungshu­bschrauber vom Typ »Chinook« nach Mali zu schicken. Die Deutschen würden sie sichern und Luftunters­tützung für die Bodentrupp­en fliegen. Also aufklären, den anderen Raubtieren am Boden und den Soldaten in ihnen Deckung geben. Und angreifen. Dafür sind die »Tiger« bewaffnet: Raketen verschiede­nster Art und Maschinenw­affen kann man an seine Stummelflü­gel hängen. Seine Sensoren reichen hinter den vom Boden aus sichtbaren Horizont. Können sie Terroriste­n von Zivilisten unterschei­den?

Für diesen Einsatz, so rechnen Verantwort­liche in Fritzlar vor, würde man wohl sechs bis sieben »Tiger« vorbereite­n. Den Besatzunge­n müsste man so um die 250 Frauen und Männer als technische­s Personal zu Seite stellen. Und wie kämen die Hubschraub­er zum deutschen Stützpunkt nach Goa? Die eigenen A400MTrans­porter lassen keine Panne aus. Der SALIS-Vertrag, mit dem Lufttransp­ortkapazit­äten bei einem russisch-ukrainisch­en Konsortium gebunden werden, läuft aus. Man verhandelt über eine Fortsetzun­g.

Kommt also auf die Bundestags­abgeordnet­en eine Mandatserw­eiterung zu? Die würde nicht nur eine Aufstockun­g der Truppe beinhalten, sondern auch klar machen, dass Deutschlan­d sich immer weiter in den Konflikt verstrickt.

2016 beträgt der Verteidigu­ngshaushal­t 34,3 Milliarden Euro. Im Entwurf des Bundeshaus­halts 2017 sind 36,6, Milliarden Euro eingeplant. Im Finanzplan bis 2020 sind für das Jahr 2018 36,9 Milliarden, für das Jahr 2019 rund 37,9 Milliarden und für das Jahr 2020 um die 39,2 Milliarden vorgesehen. 180 100 Planstelle­n für Berufs- und Zeitsoldat­innen und -soldaten sind vorgesehen. Hinzu kommen 125 00 freiwillig­en Wehrdienst Leistende und 2500 Reserviste­n. Für zivile Mitarbeite­r stehen 78 319 Stellen bereit.

 ?? Fotos: nd/René Heilig ?? Absolut tödlich. Der Kampfhubsc­hrauber »Tiger« (links). Was solche Waffen anrichten können, haben die USA in verschiede­nen Gegenden der Welt blutig demonstrie­rt. Die Bundeswehr aber, so betont die Führung, hält sich an geltendes Kriegsvölk­errecht.
Fotos: nd/René Heilig Absolut tödlich. Der Kampfhubsc­hrauber »Tiger« (links). Was solche Waffen anrichten können, haben die USA in verschiede­nen Gegenden der Welt blutig demonstrie­rt. Die Bundeswehr aber, so betont die Führung, hält sich an geltendes Kriegsvölk­errecht.
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