Züge des Terrors
Ingolf Bossenz über das Verstörende menschlicher Brüche und Ausbrüche
»Noch unklar« sei das Motiv für die tödliche Attacke auf Zugpassagiere in der Schweiz vom Wochenende, verkündete am Montag ein Polizeisprecher. Für die Tat, die zwei Todesopfer (eine Frau und der Angreifer) sowie mehrere Verletzte forderte, gelte allerdings ein terroristischer Hintergrund als »sehr abwegig«. Versteht man unter einem solchen Hintergrund eine geistige, ideologische oder gar organisatorische Zugehörigkeit des 27-jährigen Attentäters, mag diese Zuweisung gelten. Indes ist es doch gerade das Unklare, das Unerwartete, das letztlich allem Einordnungsaktivismus trotzende Unbegreifliche, das dem Terroristischen eignet. Und der Mord-Brenner in der Regionalbahn bei St. Gallen fügt sich ein in ähnliche Brüche und Ausbrüche des Menschlichen, die derzeit in Europa einem sich nach und nach enthüllenden prädestinierten Muster zu folgen scheinen. Wenn es ein solches Muster gäbe, wäre das – weil vielleicht erkennbar – wohl beruhigender als die »vernünftige« Ansicht, dass es sich um unverbundene Einzelfälle handelt, deren nachahmende Häufung allenfalls in der formenden und deformierenden Kraft des Medienglobalismus eine rationale Begründung findet: »Trittbrettfahrer«.
Die auch jetzt wieder strapazierte Binsenweisheit, es gebe keine »absolute Sicherheit«, ist weder intelligent noch beruhigend. Aber sie ist auch kein Alibi für Versäumnisse bei der Prävention gegen den »wirklichen« Terrorismus.