Massaker erschüttert Ostkongo
In Beni sollen Rebellen aus Uganda bis zu hundert Menschen niedergemetzelt haben
Am Wochenende hat sich in einem Vorort von Beni eines der schlimmsten Massaker der letzten Jahre des Bürgerkrieges in Ostkongo zugetragen. Bis zu hundert Menschen wurden ermordet. Sie kamen mit Messern, Macheten und Gewehren und töteten alle Kinder, Frauen und Männer, die nicht schnell genug weglaufen und sich in der Dunkelheit verstecken konnten. Mehrere Stunden metzelten Angreifer die Bewohner von Rwangoma am südlichen Stadtrand der ostkongolesischen Stadt Beni nieder.
Als die Kämpfer sich nach Gefechten mit der Armee in den Busch zurückzogen, waren nach Angaben von Augenzeugen bis zu 100 Menschen tot. Die ostkongolesischen Streitkräfte sprechen bislang von 47 Opfern, die Zahl könne sich jedoch noch erhöhen. Die Regierung macht die ugandische Rebellengruppe ADF für das schlimmste Massaker seit zwei Jahren verantwortlich. Militärsprecher Mak Hazukay Mongba sagte, die Rebellen hätten die Zivilbevölkerung aus Rache niedergemetzelt und Häuser angezündet.
Die ostkongolesische Armee war in den vergangenen Wochen verstärkt gegen die Rebellengruppe vorgegangen, die seit über 20 Jahren im Osten Kongos aktiv ist. Drei Tage vor dem Massaker in unmittelbarer Nähe des wegen seiner Berggorillas weltberühmten Virunga-Nationalparks hatte Präsident Joseph Kabila die Region besucht. Nach einem Treffen mit seinem ugandischen Amtskollegen Yoweri Museveni hatte er versprochen, zusammen mit Uganda stärker gegen die Rebellen vorzugehen.
Rund um Beni wurden bei Überfällen, die die Regierung meist der ADF zuschreibt, seit Oktober 2014 mindestens 600 Menschen getötet. Doch immer mehr Kongolesen glauben den Versprechen ihres Präsidenten nicht mehr. Sie wollen endlich wissen, warum die Armee und die in der Region stationierten Blauhelm- truppen oft – so wie jetzt in Rwangoma – erst spät oder gar nicht eingreifen, wenn Dörfer angegriffen werden. Viele vermuten, dass Kabila ein Interesse hat, die Region nicht zur Ruhe kommen zu lassen, um die ursprünglich für November geplante Wahl immer weiter verschieben zu können. Laut Verfassung darf er nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren.
Rwangoma liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum der Großstadt Beni entfernt. »Der Krieg kommt immer näher. Hier wird es niemals Frieden geben. Wenn die Kämpfe an einer Stelle aufhören, flammen sie an einer anderen Stelle auf«, sagte Tischler Kambale drei Tage vor den Morden von Rwangoma in seiner kleinen Werkstatt in Beni. Kambale war früher selbst mitverantwortlich für das Morden im Nordosten Kongos. Im Alter von acht Jahren wurde er entführt und gezwungen, sich als Kindersoldat einer der rund 70 bewaffneten Gruppen in der Region anzuschließen. Als er zehn war, lernte er zu töten. »Wir hatten einen Feind gefangen. Die älteren Kämpfer zeigten uns, wie man einen Menschen ersticht. Dann haben wir Kinder mit Messern immer und immer wieder auf den gefesselten Mann eingestochen«, so der ehemalige Kindersoldat.
Roger Abbé Kubuyaka, Priester in einer der größten katholischen Kirchen in Beni, betet am frühen Sonntagmorgen mit Hunderten Gläubigen, dass der Krieg endlich aufhören möge. Zu diesem Zeitpunkt weiß der 47-Jährige noch nicht, dass sich in der vergangenen Nacht nur wenige Kilometer von seiner Kirche entfernt eines der schlimmsten Massaker der letzten Jahre zugetragen hat. »Wenn wir morgens aufwachen, machen wir als erstes das Radio an und rufen Freunde und Verwandte an, um zu erfahren, ob in der Nacht wieder gemordet wurde«, sagt der Priester. Um Panik zu vermeiden, hatte die Armee jedoch zunächst nur sehr zögerlich Informationen zum Massenmord in Rwangoma rausgegeben. Kubuyaka erfuhr erst nach seiner Predigt von den vielen Toten.