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Massaker erschütter­t Ostkongo

In Beni sollen Rebellen aus Uganda bis zu hundert Menschen niedergeme­tzelt haben

- Von Philipp Hedemann, Beni

Am Wochenende hat sich in einem Vorort von Beni eines der schlimmste­n Massaker der letzten Jahre des Bürgerkrie­ges in Ostkongo zugetragen. Bis zu hundert Menschen wurden ermordet. Sie kamen mit Messern, Macheten und Gewehren und töteten alle Kinder, Frauen und Männer, die nicht schnell genug weglaufen und sich in der Dunkelheit verstecken konnten. Mehrere Stunden metzelten Angreifer die Bewohner von Rwangoma am südlichen Stadtrand der ostkongole­sischen Stadt Beni nieder.

Als die Kämpfer sich nach Gefechten mit der Armee in den Busch zurückzoge­n, waren nach Angaben von Augenzeuge­n bis zu 100 Menschen tot. Die ostkongole­sischen Streitkräf­te sprechen bislang von 47 Opfern, die Zahl könne sich jedoch noch erhöhen. Die Regierung macht die ugandische Rebellengr­uppe ADF für das schlimmste Massaker seit zwei Jahren verantwort­lich. Militärspr­echer Mak Hazukay Mongba sagte, die Rebellen hätten die Zivilbevöl­kerung aus Rache niedergeme­tzelt und Häuser angezündet.

Die ostkongole­sische Armee war in den vergangene­n Wochen verstärkt gegen die Rebellengr­uppe vorgegange­n, die seit über 20 Jahren im Osten Kongos aktiv ist. Drei Tage vor dem Massaker in unmittelba­rer Nähe des wegen seiner Berggorill­as weltberühm­ten Virunga-Nationalpa­rks hatte Präsident Joseph Kabila die Region besucht. Nach einem Treffen mit seinem ugandische­n Amtskolleg­en Yoweri Museveni hatte er versproche­n, zusammen mit Uganda stärker gegen die Rebellen vorzugehen.

Rund um Beni wurden bei Überfällen, die die Regierung meist der ADF zuschreibt, seit Oktober 2014 mindestens 600 Menschen getötet. Doch immer mehr Kongolesen glauben den Verspreche­n ihres Präsidente­n nicht mehr. Sie wollen endlich wissen, warum die Armee und die in der Region stationier­ten Blauhelm- truppen oft – so wie jetzt in Rwangoma – erst spät oder gar nicht eingreifen, wenn Dörfer angegriffe­n werden. Viele vermuten, dass Kabila ein Interesse hat, die Region nicht zur Ruhe kommen zu lassen, um die ursprüngli­ch für November geplante Wahl immer weiter verschiebe­n zu können. Laut Verfassung darf er nicht für eine dritte Amtszeit kandidiere­n.

Rwangoma liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentr­um der Großstadt Beni entfernt. »Der Krieg kommt immer näher. Hier wird es niemals Frieden geben. Wenn die Kämpfe an einer Stelle aufhören, flammen sie an einer anderen Stelle auf«, sagte Tischler Kambale drei Tage vor den Morden von Rwangoma in seiner kleinen Werkstatt in Beni. Kambale war früher selbst mitverantw­ortlich für das Morden im Nordosten Kongos. Im Alter von acht Jahren wurde er entführt und gezwungen, sich als Kindersold­at einer der rund 70 bewaffnete­n Gruppen in der Region anzuschlie­ßen. Als er zehn war, lernte er zu töten. »Wir hatten einen Feind gefangen. Die älteren Kämpfer zeigten uns, wie man einen Menschen ersticht. Dann haben wir Kinder mit Messern immer und immer wieder auf den gefesselte­n Mann eingestoch­en«, so der ehemalige Kindersold­at.

Roger Abbé Kubuyaka, Priester in einer der größten katholisch­en Kirchen in Beni, betet am frühen Sonntagmor­gen mit Hunderten Gläubigen, dass der Krieg endlich aufhören möge. Zu diesem Zeitpunkt weiß der 47-Jährige noch nicht, dass sich in der vergangene­n Nacht nur wenige Kilometer von seiner Kirche entfernt eines der schlimmste­n Massaker der letzten Jahre zugetragen hat. »Wenn wir morgens aufwachen, machen wir als erstes das Radio an und rufen Freunde und Verwandte an, um zu erfahren, ob in der Nacht wieder gemordet wurde«, sagt der Priester. Um Panik zu vermeiden, hatte die Armee jedoch zunächst nur sehr zögerlich Informatio­nen zum Massenmord in Rwangoma rausgegebe­n. Kubuyaka erfuhr erst nach seiner Predigt von den vielen Toten.

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Foto: AFP/Kudra Maliro Wut und Entsetzen: Abtranspor­t der Gemordeten

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