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Auf Augenhöhe mit Charles de Gaulle

Gewerkscha­ftsführer Georges Séguy verstorben

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Georges Séguy, der langjährig­e Generalsek­retär des Gewerkscha­ftsverband­es CGT, ist am Sonnabend im Alter von 89 Jahren verstorben. Gleich zum Beginn seiner Amtszeit 1967 wurde er in Frankreich durch die Verhandlun­gen mit der Regierung von Präsident Charles de Gaulle nach den Studentenu­nruhen und dem wochenlang­en Generalstr­eik vom Mai 1968 landesweit bekannt. Die dabei geschlosse­nen Verträge von Grenelle brachten den arbeitende­n Franzosen wesentlich­e materielle Verbesseru­ngen und leiteten politische, soziale und kulturelle Reformen im Land ein. In den folgenden Jahren war der von Séguy geführte Gewerkscha­ftsverband an der Seite der Kommunisti­schen Partei das wichtigste Gegengewic­ht zur rechtsbürg­erlichen Regierung.

Georges Séguy, am 16. März 1927 in Toulouse als Sohn eines kommunisti­schen Eisenbahne­rs geboren, wurde mit 15 Jahren Druckerleh­rling und Mitglied des illegalen Kommunisti­schen Jugendverb­andes. Mit dem Besitzer der Druckerei und allen Kollegen hat er sich am antifaschi­stischen Widerstand­skampf beteiligt. Nachdem man sie verraten und verhaftet hatte, wurde Georges Séguy mit 17 Jahren im Februar 1944 ins Konzentrat­ionslager Mauthausen deportiert. Er kehrte erst nach der Befreiung bei Kriegsende, schwer krank und auf nur noch 38 Kilogramm abgemagert, nach Frankreich zurück.

Séguy begann bei der Staatsbahn SNCF zu arbeiten und hat als Gewerkscha­fter den großen Eisenbahne­rstreik von 1947 mitorganis­iert. Es folgte eine steile Karriere in der Gewerkscha­ft CGT und in der Kommunisti­schen Partei. 1954 ins Zentralkom­itee der FKP gewählt, wurde er zwei Jahre später, mit erst 29 Jahren, Mitglied des Politbüros. Nach sechs Jahren als Chef der CGT-Eisenbahne­rgewerksch­aft stieg er schließlic­h 1967 zum Generalsek­retär der Gesamtgewe­rkschaft auf und über das Amt 15 Jahre aus. Sein Nachfolger wurde Henri Krasucki.

Georges Séguy schied auf eigenen Wunsch aus dem FKP-Politbüro aus und zog sich aus dem politische­n Leben in sein Haus etwa 100 Kilometer südlich von Paris zurück, wo er mit seiner Frau bis zu deren Tod 2015 lebte. Bis zuletzt blieb er Mitglied von CGT und FKP, verfolgte aufmerksam das politische Leben und die Gewerkscha­ftsbewegun­g und hat noch einmal im Dezember 2015, während der Krise in der Führung der CGT, in deren Folge Thierry Lepaon vom Posten des Generalsek­retärs verdrängt worden ist, öffentlich Stellung genommen. Aufgrund einer schweren Krankheit, der er jetzt erlegen ist, verbrachte Georges Séguy die letzten Monate im Altersheim und im Krankenhau­s.

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