Rot-schwarzes Jobwunder
Arbeitssenatorin Kolat zieht nach Unternehmensbefragung eine positive Bilanz
Das »Betriebspanel« zeigt: Der Mindestlohn hat nicht für einen Jobabbau gesorgt. An ihrer Ausbildungspolitik könnten Betriebe aber noch feilen, findet Berlins Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD).
Zufrieden tritt Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Montag vor die Presse. Es gebe eine insgesamt »positive wirtschaftliche Entwicklung« freut sie sich. Seit 2005 sei die Beschäftigung in der Hauptstadt kontinuierlich um 26 Prozent gestiegen, das seien sogar acht Prozent mehr als im gesamten Bundesgebiet.
Die Zahlen gehen auf eine neue Befragung zurück, das sogenannte »Betriebspanel«. Die Studie, die seit 20 Jahren bundesweit in Betrieben durchgeführt wird, ist repräsentativ. Von den rund 90 000 Berliner Betrieben mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bekamen 864 Betriebe diesmal Besuch von den Befragern.
Ein Ergebnis: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs ist angestiegen. Das zeigt, betonte Kolat, dass keine prekären Jobs, sondern vollwertige Arbeitsplätze geschaffen wurden. Allerdings müsse man bei den Zahlen auch bedenken, dass Berlin im Bundesvergleich eine schlechtere Ausgangssituation und einen dementsprechenden Nachholbedarf habe.
Kolat geht aufgrund der Studie auch von einem weiteren wirtschaftlichen Aufschwung aus: »Das ist eine Situation, die ich mir immer erträumt habe, aber hier haben wir es schwarz auf weiß«, sagte sie. Im Hinblick auf den im letzten Jahr eingeführten Mindestlohn von 8,50 Euro sagte die Senatorin: »Ein Jobdrama wegen des Mindestlohns ist entgegen vieler Prognosen nicht eingetroffen.« Das Gegenteil sei der Fall. In den Betrieben, wo besonders viele Löhne auf 8,50 Euro angehoben werden mussten, fiel der Beschäftigungszuwachs am höchsten aus. So hätte es dort im Vergleich zu 2014 fünf Prozent mehr Beschäftigte gegeben als in Betrieben, in denen ohnehin schon auf Mindestlohnniveau gezahlt wurde.
Kolat geht davon aus, dass es zwar einzelne Verstöße gebe, der Mindestlohn aber nicht massenweise un-
Dilek Kolat, SPD
terlaufen werde. Dass die Befürchtungen in Bezug auf den Mindestlohn ausbleiben, zeigte jüngst auch eine andere Studie aus Sachsen. Während dort 30 Prozent der Betriebe die Löhne erhöhen mussten, hatten nur zwei Prozent Beschäftigte entlassen.
Gewerkschafter schätzen die Lage jedoch anders ein. »Die Realität sieht ganz anders aus«, mein der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Uwe Ledwig. Viele Hotels verlagern beispielsweise die Zimmer- und Gebäudepflege auf Firmen, bei denen der Mindestlohn nicht kontrolliert wird.
Allerdings verschweigt die Berliner Studie nicht, dass einige Betriebe durchaus mit dem Mindestlohn zu kämpfen hatten. So haben Unternehmen, die einen Großteil der Löhne anheben mussten, wie etwa bestimmte Dienstleistungsunternehmen, im Schnitt rund drei Prozent der Arbeitsplätze abgebaut. Auch seien Effekte wie vermehrte Leiharbeit, befristete Verträge oder die Zurückhaltung von Einstellungen zu beobach- ten gewesen. Zudem zeigt das »Betriebspanel«, dass zwar ein steigender Fachkräftebedarf bei Unternehmen besteht, die Einstellung von Fachkräften aber im vergangenen Jahr deutlich rückläufig war.
Darüber hinaus bilden die Betriebe nicht mehr so viel aus wie in den Vorjahren. In ausbildungsberechtigten Betrieben sank die Zahl der Auszubildenden von 44 auf 39 Prozent. Die Schuld dafür sieht Kolat bei den Unternehmen, die vor allem auf die Schulnoten schauen und Jugendlichen, die in der Schule schlechter abschneiden, selten eine Chance geben. »Wir haben 14 000 arbeitslose Jugendliche in Berlin. Da soll mir einer sagen, dass die alle nichts taugen«, sagte Kolat. Betriebe brauchen nicht immer die Azubis mit den besten Noten, sondern die, die am besten zum Unternehmen passen. Da müsse ein Mentalitätswechsel stattfinden.
»Ein Jobdrama wegen des Mindestlohns ist entgegen vieler Prognosen nicht eingetroffen.«