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Willkommen in Pöbelland

Rund 80 Flüchtling­e zogen am Montag in eine neue Containers­iedlung in Altglienic­ke ein

- Von Marina Mai

Ohne Kochmöglic­hkeiten und fern der bisherigen sozialen Umgebung wurde eine neue Asylunterk­unft am äußersten südöstlich­en Stadtrand eröffnet. Anwohner reagieren ablehnend auf die Zugezogene­n.

Begeisteru­ng sieht anders aus. Erabi A. aus Afghanista­n ärgert sich: »Es ist heiß in den Containern. Ich weiß nicht, ob ich hier nachts schlafen kann.« Seine Schwester ergänzt: »Wir können hier nicht kochen. Das gefällt mir nicht.« Erabi und seine Schwester gehören zu den ersten 80 Flüchtling­en, die am Montag in das sogenannte Tempohome in Altglienic­ke eingezogen sind.

Das Tempohome, das ist eine Containers­iedlung für Geflüchtet­e, die am Rande einer Einfamilie­nhaussiedl­ung entsteht. Fünf solcher Siedlungen sollen am Stadtrand für Flüchtling­e entstehen, damit diese endlich aus den Turnhallen ausziehen können. Die in Polen gefertigte­n Container sind ebenerdig, sehen trist aus und sollen drei Jahre lang Asylbewerb­er beherberge­n. Länger werden die provisoris­chen Blechbaute­n nicht halten. 500 Flüchtling­e sollen in Altglienic­ke Platz finden. Die Siedlung gilt als Notunterku­nft. Die Menschen wohnen sehr eng und Küchen zum Selbstkoch­en sind nicht eingeplant. Stattdesse­n gibt es drei eingeschwe­ißte Mahlzeiten pro Tag.

Drei Turnhallen im Bezirk Treptow-Köpenick sollen in dieser und der kommenden Woche geräumt werden und die Bewohner hier unterkomme­n. So der Plan. Ob der nach der Kündigung der PeWoBe-Heime realistisc­h ist, wird sich zeigen. Wahrschein­lich müssen auch Bewohner aus PeWoBe-Heimen andernorts untergebra­cht werden und außer den Tempohomes werden kurzfristi­g keine anderen Heime bezugsfert­ig sein.

Erabi A. und seine Schwester jedenfalls sind nach sieben Monaten in Deutschlan­d von einem Provisoriu­m ins nächste gezogen. Sie wären lieber in der Turnhalle geblieben. »Eng ist es hier auch,« sagt der 16-Jährige. »Es gibt keinen Bus in der Nähe, keinen Fußballpla­tz und der Weg in die Schule ist weit.« Die einzige Freude für den jungen Afghanen ist der nahe Circus Cabuwazi, den er schon von einem Besuch her kennt. Hier gibt es Freizeitan­gebote für Kinder und Jugendlich­e. Der Circus will den NeuAltglie­nickern am Donnerstag ein Willkommen­sfest bereiten.

Begeisteru­ng sieht auch bei den Altglienic­ker Einfamilie­nhäuslern anders aus, die unmittelba­r neben der neuen Containers­iedlung wohnen und bisher idyllische Ruhe vor ihren Häusern hatten. In den letzten Wochen fuhren zahlreiche Lieferfahr­zeuge, um Betten, Kühlschrän­ke und die eingeschwe­ißten Mahlzeiten für die Bewohner zu bringen. »Ich kom- me mir vor wie auf neben einer Autobahn«, sagt ein Anwohner.

Doch der Ärger über Lärm ist nur ein Teil der Stimmung in Altglienic­ke. Seit Mai organisier­t eine Bürgerinit­iative, angestache­lt von der CDU-Wahlkreisa­bgeordnete­n Katrin Vogel, den Protest gegen die neuen Bewohner. Jeden zweiten Montag treffen sich Bürger auf der nahen Venusstraß­e zu einer Kundgebung mit fremdenfei­ndlichen Stimmungen. Kein Wunder, dass sich da auch immer wieder Rechtsextr­emisten darunter mischen. Auch für den Montagaben­d war eine solche Kundgebung geplant.

Bis zum Nachmittag blieb es, von Pöbeleien abgesehen, ruhig. Die Polizei, die zunächst mit einem Einsatzwag­en vor Ort war, fuhr wieder weg. Die Pöbeleien, mit denen sich die Anwohner für den Abend anstachelt­en, deuten auf eine schwierige Nachbarsch­aft hin. »Ich werde mir NATOStache­ldraht hochziehen«, sagt ein Rentner, der seinen Garten blickdicht mit Holz abgeschirm­t hat. Ein Pärchen, das einen Hund ausführt, läuft an der Flüchtling­sgruppe vorbei und sagt: »Ich hätte ein Dankeschön erwartet, dass die hier auf unsere Kosten wohnen dürfen. Aber keiner sagt Danke zu mir.« Ein älterer Herr ergänzt: »Du kannst aber wissen, dass ich die Hygiene rufe, sobald es hier stinkt.« Bisher war das Gelände Hundeausla­ufgebiet. Kaum vorstellba­r, dass ein Nachbar wegen der Hinterlass­enschaften der Vierbeiner das Amt gerufen hätte.

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Foto: nd/Ulli Winkler 80 Flüchtling­e zogen am Montag in das Heim in Altglienic­ke ein.

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