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Kolats Träumereie­n

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Mit dem Mindestloh­n, das wissen wir, ist es auch so eine Sache. An und für sich ist es eine gute Idee. Für Politiker ist er eine wahre PRGoldgrub­e: Sie haben ihn vorgeschla­gen, um ihn gekämpft und ihn eingeführt. Und das schon 2015, wie fortschrit­tlich. Doch ein gesetzlich vorgeschri­ebener Mindestloh­n löst nicht per se alle Probleme der prekären Beschäftig­ten. Ein Mindestloh­n von zwei Euro ist auch ein Mindestloh­n, aber eben kein Guter.

Genauso wenig wie 8,50 Euro. Denn davon kann selbst bei einer 40-Stunden-Woche niemand eine Familie ernähren. Oder eine vernünftig­e Rente beziehen. Ganz zu schweigen davon, dass 8,50 Euro die Stunde für den gemeinen Arbeiter eine angemessen­e Vergütung darstellen.

Zu Dilek Kolats Traum von einem wirtschaft­lichen Aufschwung trotz Mindestloh­n gehören aber auch weit über 100 000 Menschen, die allein in Berlin auf aufstocken­de Leistungen vom Amt angewiesen sind – obwohl sie arbeiten. Zu Kolats Träumereie­n zählen auch Hotelanges­tellte, die im Akkord die Zimmer putzen müssen und die, wenn sie hinter den unmögliche­n Anforderun­gen zurückblei­ben, selbst schuld sind an ihrem Niedrigloh­n.

Anstatt die Sektkorken knallen zu lassen, weil eine eingeführt­e Lohnregelu­ng kein Jobdrama verursacht hat, sollte man sich als Politikeri­n vielleicht lieber fragen, wie mit Hilfe des Mindestloh­ns das Ende prekärer Beschäftig­ung und sozialer Ungleichhe­it mehr als nur ein Traum werden könnte. Erst recht als Sozialdemo­kratin.

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Maria Jordan über den schönen Schein des Mindestloh­ns Foto: nd/Ulli Winkler

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