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»Wir stellen die Systemfrag­e«

Die feierliche Namensgebu­ng des Lothar-Bisky-Hauses bot auch Raum für eine Inhaltsdeb­atte

- Von Wilfried Neiße

Seit vergangene­m Freitag trägt die Potsdamer LINKEN-Zentrale in der Alleestraß­e den Namen »Lothar Bisky-Haus«. Gleichzeit­ig wurde der große Saal des Gebäudes »MichaelSch­umann-Saal« getauft.

Die Politiker Lothar Bisky und Michael Schumann waren nach 1990 in der damaligen PDS Männer der ersten Stunde. Sie haben das Bild der SED-Nachfolgep­artei sowohl im Bund als auch in Brandenbur­g nachhaltig prägten. Schumann kam im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Ehefrau bei einem Autounfall ums Leben. Bisky starb am 13. August 2013. Am Mittwoch wäre er 75 Jahre alt geworden.

Die Lage im vereinten Deutschlan­d »wäre besser, wenn Lothar Bisky heute noch da wäre«, sagte der stellvertr­etende Ministerpr­äsident und LINKEN-Landeschef Christian Görke, bevor das rote Tuch vor dem neuen Schild fiel. Gemeinsam mit Heinz Vietze, dem letzten SED-Bezirksche­f in Potsdam und mit Bisky und Schumann durch die gemeinsa- me Arbeit in der Landtagsfr­aktion verbunden, löste Görke den Knoten.

Vietze stellte sich als »letzten Gaul der Troika« vor, die er seinerzeit mit Bisky und Schumann im »Kreml« (der einstigen SED-Bezirkslei­tung und dem späteren Landtagsge­bäude) gebildet habe. Doch wolle er keine Melancholi­e aufkommen lassen. »So lange noch einer im Geschirr geht, geht es voran.«

Biskys Witwe Almuth fehlte beim anschließe­nden Festakt krankheits­bedingt, die beiden Söhne Jens und Norbert konnten wegen eines Auslandsau­fenthalts nicht teilnehmen. Neben viel Linkspromi­nenz, darunter der Ehrenvorsi­tzende der Partei, Hans Modrow, war auch Biskys Nachfolger im Amt des Rektors der Potsdamer Filmhochsc­hule »Konrad Wolf«, Dieter Weidemann, gekommen.

Am Rande der Veranstalt­ung wurde eine Broschüre über die beiden Verstorben­en mit dem Titel »Wir stellen die Systemfrag­e« verteilt.

Bisky sei »kein Politiker, sondern ein sympathisc­her Mensch« gewesen, befand Ex-CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Peter-Michael Diestel. Der Dau- ergast und Vorzeige-Christdemo­krat bei der märkischen LINKEN hatte zu beiden PDS-»Lichtgesta­lten« ein gutes Verhältnis unterhalte­n. »Ich bin einer von den Siegern der Geschichte«, stellte sich Diestel, der es in der letzten DDR-Regierung immerhin zum Innenminis­ter gebracht hatte, selbstbewu­sst den rund 100 Gästen vor. An Lothar Bisky erinnerte er sich als einen, der Zeit seines Lebens im Dauerwider­stand gegen die Dummheit gestanden habe. Es sei jedenfalls die Frage, ob die CDU in Brandenbur­g Persönlich­keiten habe, nach denen sie Gebäude benennen könnte.

Es war Hans Modrow, der auch den Privatmann Lothar Bisky würdigte: Dieser habe vor allem auch in den schweren Zeiten nach der Wende zu seiner Ehefrau Almuth gestanden.

Die Vorsitzend­e der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann, wie viele der Anwesenden durch die Arbeit in der brandenbur­gischen Landtagsfr­aktion mit Bisky verbunden, irritierte manchen Zuhörer, als sie bekannte, Bisky habe »nicht gut reden können«. Doch sie erinnerte daran, dass er später im Bundestag dreimal zur Wahl des Vizepräsid­enten antrat und dreimal hintereina­nder nicht gewählt wurde. »Das war schoflig«, sagte sie unter dem Beifall der Anwesenden. Allem Bild zum Trotz, das die LINKE heute auf Landes- und Bundeseben­e bietet, griff Dagmar Enkelmann Biskys Motto trotzig auf: »Ja, wir stellen die Systemfrag­e.«

Dietmar Bartsch, Ko-Fraktionsc­hef der LINKEN im Bundestag, sprach von den beiden Namensgebe­rn als von »ganz feinen Menschen, die für die Partei Kopf, Rücken und anderes hingehalte­n haben«. Und der langjährig­e Sprecher der Bundespart­ei Hanno Harnisch brachte die Gefühle, die viele der Anwesenden gegenüber Bisky hegten, auf die Formel: »Ich habe ihn geliebt, ich liebe ihn und ich werde ihn immer lieben.«

Am Rande kündigte Heinz Vietze, der Vorsitzend­er der Michael-Schumann-Stiftung ist, noch an, dass sich mehrere linke Stiftungen – darunter auch seine – zu einer »Stiftung für das Gedächtnis demokratis­cher Sozialisti­nnen und Sozialiste­n« zusammensc­hließen würden.

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