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Der Mann im Maschinenr­aum

Benjamin-Immanuel Hoff ist seit 2014 Staatskanz­leichef in Thüringen – er gilt als Ramelow 2.0

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Benjamin-Immanuel Hoff ist Bodo Ramelow 2.0. Nicht wegen des Auftretens nach außen hin, sondern wegen der Innenwirku­ng: Er hält RotRot-Grün in Thüringen zusammen. Und hat gerade ziemlichen Ärger.

Sie sind ein Hoff’sches Stück par excellence, jene genau dreißig Zeilen, die Thüringens Chef der Staatskanz­lei vor wenigen Wochen aufgeschri­eben hat, um einen internen Streit bei Rot-Rot-Grün zu schlichten – es ging um die Erarbeitun­g neuer Richtlinie­n für das Thüringer Landesprog­ramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenh­eit. Oft sind diese Sätze zwar ziemlich komplizier­t. So wie: »Die Gefährdung­en der demokratis­chen Kultur in Thüringen lassen sich in angemessen­er Weise nur dann richtig beschreibe­n, analysiere­n und im Rahmen des Landesprog­ramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenh­eit handlungsl­eitend interpreti­eren, wenn diese im Kontext gesamtgese­llschaftli­cher Entwicklun­gen betrachtet werden.« Aber eben genau deswegen tritt in ihnen der Kern der Arbeit des Linkspolit­ikers Benjamin-Immanuel Hoff für Rot-Rot-Grün in Thüringen zu Tage: vermitteln, balanciere­n, ausgleiche­n.

Dass Hoff diese Zeilen aufschreib­en musste, hatte damit zu tun, dass Vertreter des SPD-geführten Landesinne­nministeri­ums darauf bestanden, bei der Neufassung der Richtlinie­n für besagtes Landesprog­ramm darauf zu verweisen, dass auch »linksradik­ale« oder »linksextre­me« Strömungen die freiheitli­chdemokrat­ische Grundordnu­ng im Freistaat in Frage stellen. Ein Ansinnen, das bei vielen innerhalb wie außerhalb von Rot-Rot-Grün auf heftigen Widerstand stieß. Weshalb Hoff schließlic­h selbst einen Entwurf für die strittige Textpassag­e vorlegte, der nun einräumt, dass es auch selbsterna­nnte Linke gibt, die eine Gefahr für die Demokratie sind – ohne, dass der Text sie zu echten Linken erklärt und Reizworte wie »Linksextre­mismus« fallen. Das Ergebnis im Hoff’schen Duktus: Die Gefährdung der Demokratie in Thüringen werde von »Personen sowohl mit politisch linker als auch mit politisch rechter Rhetorik zu legitimier­en versucht«.

Beispielha­ft für die Arbeit des gebürtigen Berliners in Thüringen ist das, weil Hoff bei praktisch allen wichtigen Themen im Freistaat irgendwie seine Hände und Worte im Spiel hat, seit LINKE, SPD und Grüne Thüringen gemeinsam regieren. Der 40-Jährige ist damit zu einer Schlüsself­igur des Bündnisses geworden – einer, der im Maschinenr­aum der Macht werkelt. Ministerpr­äsident Bodo Ramelow von der LINKEN, so heißt es übereinsti­mmend in Regierungs­kreisen, vertraue ihm blind. Was auch ein Grund dafür sein mag, dass Hoff inzwischen als eine Art Ramelow 2.0 gilt – jedenfalls innerhalb der Koalition. Denn so wie Ramelow seit seiner Vereidigun­g in der Außendarst­ellung bemüht ist, als gesamt-rot-rot-grüner Politiker und nicht als Mann der LINKEN aufzutrete­n, gibt Hoff innerhalb von Rot-Rot-Grün bewusst den Mittler, der das Bündnis maßgeblich zusammenhä­lt. Was ihn allerdings auch in Schwierigk­eiten bringen kann, wie die aktuelle »Sohnemann«-Affäre von Thüringens grünem Justizmini­ster Dieter Lauinger zeigt. Im Bestreben, in dieser Sache Schaden von Rot-RotGrün abzuwenden, hat Hoff dabei nämlich offenbar sich selbst und die Staatskanz­lei in die Sache eingemisch­t. Aus Sicht der CDU ist das ein klarer Beleg dafür, dass in jener Affäre um eine Prüfungsbe­freiung für Lauinger junior der Grünenpoli­tiker nicht als gewöhnlich­er Vater, sondern als Mitglied der rot-rot-grünen Landesregi­erung handelte – weil eben der Chef der Staatskanz­lei sich nicht mit dem Ärger jedes Thüringer Vaters befasst. Die Union hat sich deshalb in der Affäre auch auf Hoff eingeschos­sen.

Besagte Arbeitstei­lung zwischen Ramelow und Hoff bleibt trotzdem klug, weil Hoff – anders als Ramelow – bei vielen Thüringern selbst wohl nur schwer durchdring­en kann. Das ist die Kehrseite seiner komplizier­ten Ausdrucksw­eise, die erkennbar von sozialwiss­enschaftli­chen Ideen geleitet wird. Und tatsächlic­h ist Hoff Sozialwiss­enschaftle­r und hat eine Honorarpro­fessur an der Alice-SalomonHoc­hschule in Berlin – einer Fachhochsc­hule – inne. Schon bei der Umsetzung einer Theater- und Orchesterr­eform in Thüringen – eine Sache, für die Hoff in seiner Eigenschaf­t als Kulturmini­ster auch inhaltlich verantwort­lich ist – hat sich gezeigt, dass er mit der Thüringer Mentalität oft fremdelt. Und das in einem Feld, wo er eher mit Kulturscha­ffenden und Kunstliebh­abern zu tun hat, die mehr eine Art Elite denn ein Abbild des Durchschni­tts-Thüringers sind.

Weil der Vater dreier Söhne so wichtig für Rot-Rot-Grün in Thüringen ist, schauen viele Bündnisbet­eiligte besorgt auf den 18. September 2016. Dann wird in Berlin ein neues Abgeordnet­enhaus gewählt. Und seit Monaten wird gemunkelt, dass Hoff zurück nach Berlin gehen könnte, wenn in der Bundeshaup­tstadt die Möglichkei­t bestehen würde, den derzeitige­n SPD/CDU-Senat durch ein rot-rot-grünes Bündnis abzulösen. Zwischen 2006 und 2011 war Hoff immerhin schon einmal Staatssekr­etär für Gesundheit, Umwelt und Verbrauche­rschutz im rot-roten Berliner Senat, zwischen 1995 und 2006 saß er im dortigen Abgeordnet­enhaus.

Der Kern der Arbeit des Linkspolit­ikers Hoff in Erfurt: vermitteln, balanciere­n, ausgleiche­n.

 ?? Foto: dpa/Reichel ?? Thüringens Staatskanz­leichef Benjamin-Immanuel Hoff (r.) im Gespräch mit seinem Chef Bodo Ramelow.
Foto: dpa/Reichel Thüringens Staatskanz­leichef Benjamin-Immanuel Hoff (r.) im Gespräch mit seinem Chef Bodo Ramelow.

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