Der Mann im Maschinenraum
Benjamin-Immanuel Hoff ist seit 2014 Staatskanzleichef in Thüringen – er gilt als Ramelow 2.0
Benjamin-Immanuel Hoff ist Bodo Ramelow 2.0. Nicht wegen des Auftretens nach außen hin, sondern wegen der Innenwirkung: Er hält RotRot-Grün in Thüringen zusammen. Und hat gerade ziemlichen Ärger.
Sie sind ein Hoff’sches Stück par excellence, jene genau dreißig Zeilen, die Thüringens Chef der Staatskanzlei vor wenigen Wochen aufgeschrieben hat, um einen internen Streit bei Rot-Rot-Grün zu schlichten – es ging um die Erarbeitung neuer Richtlinien für das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Oft sind diese Sätze zwar ziemlich kompliziert. So wie: »Die Gefährdungen der demokratischen Kultur in Thüringen lassen sich in angemessener Weise nur dann richtig beschreiben, analysieren und im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit handlungsleitend interpretieren, wenn diese im Kontext gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet werden.« Aber eben genau deswegen tritt in ihnen der Kern der Arbeit des Linkspolitikers Benjamin-Immanuel Hoff für Rot-Rot-Grün in Thüringen zu Tage: vermitteln, balancieren, ausgleichen.
Dass Hoff diese Zeilen aufschreiben musste, hatte damit zu tun, dass Vertreter des SPD-geführten Landesinnenministeriums darauf bestanden, bei der Neufassung der Richtlinien für besagtes Landesprogramm darauf zu verweisen, dass auch »linksradikale« oder »linksextreme« Strömungen die freiheitlichdemokratische Grundordnung im Freistaat in Frage stellen. Ein Ansinnen, das bei vielen innerhalb wie außerhalb von Rot-Rot-Grün auf heftigen Widerstand stieß. Weshalb Hoff schließlich selbst einen Entwurf für die strittige Textpassage vorlegte, der nun einräumt, dass es auch selbsternannte Linke gibt, die eine Gefahr für die Demokratie sind – ohne, dass der Text sie zu echten Linken erklärt und Reizworte wie »Linksextremismus« fallen. Das Ergebnis im Hoff’schen Duktus: Die Gefährdung der Demokratie in Thüringen werde von »Personen sowohl mit politisch linker als auch mit politisch rechter Rhetorik zu legitimieren versucht«.
Beispielhaft für die Arbeit des gebürtigen Berliners in Thüringen ist das, weil Hoff bei praktisch allen wichtigen Themen im Freistaat irgendwie seine Hände und Worte im Spiel hat, seit LINKE, SPD und Grüne Thüringen gemeinsam regieren. Der 40-Jährige ist damit zu einer Schlüsselfigur des Bündnisses geworden – einer, der im Maschinenraum der Macht werkelt. Ministerpräsident Bodo Ramelow von der LINKEN, so heißt es übereinstimmend in Regierungskreisen, vertraue ihm blind. Was auch ein Grund dafür sein mag, dass Hoff inzwischen als eine Art Ramelow 2.0 gilt – jedenfalls innerhalb der Koalition. Denn so wie Ramelow seit seiner Vereidigung in der Außendarstellung bemüht ist, als gesamt-rot-rot-grüner Politiker und nicht als Mann der LINKEN aufzutreten, gibt Hoff innerhalb von Rot-Rot-Grün bewusst den Mittler, der das Bündnis maßgeblich zusammenhält. Was ihn allerdings auch in Schwierigkeiten bringen kann, wie die aktuelle »Sohnemann«-Affäre von Thüringens grünem Justizminister Dieter Lauinger zeigt. Im Bestreben, in dieser Sache Schaden von Rot-RotGrün abzuwenden, hat Hoff dabei nämlich offenbar sich selbst und die Staatskanzlei in die Sache eingemischt. Aus Sicht der CDU ist das ein klarer Beleg dafür, dass in jener Affäre um eine Prüfungsbefreiung für Lauinger junior der Grünenpolitiker nicht als gewöhnlicher Vater, sondern als Mitglied der rot-rot-grünen Landesregierung handelte – weil eben der Chef der Staatskanzlei sich nicht mit dem Ärger jedes Thüringer Vaters befasst. Die Union hat sich deshalb in der Affäre auch auf Hoff eingeschossen.
Besagte Arbeitsteilung zwischen Ramelow und Hoff bleibt trotzdem klug, weil Hoff – anders als Ramelow – bei vielen Thüringern selbst wohl nur schwer durchdringen kann. Das ist die Kehrseite seiner komplizierten Ausdrucksweise, die erkennbar von sozialwissenschaftlichen Ideen geleitet wird. Und tatsächlich ist Hoff Sozialwissenschaftler und hat eine Honorarprofessur an der Alice-SalomonHochschule in Berlin – einer Fachhochschule – inne. Schon bei der Umsetzung einer Theater- und Orchesterreform in Thüringen – eine Sache, für die Hoff in seiner Eigenschaft als Kulturminister auch inhaltlich verantwortlich ist – hat sich gezeigt, dass er mit der Thüringer Mentalität oft fremdelt. Und das in einem Feld, wo er eher mit Kulturschaffenden und Kunstliebhabern zu tun hat, die mehr eine Art Elite denn ein Abbild des Durchschnitts-Thüringers sind.
Weil der Vater dreier Söhne so wichtig für Rot-Rot-Grün in Thüringen ist, schauen viele Bündnisbeteiligte besorgt auf den 18. September 2016. Dann wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Und seit Monaten wird gemunkelt, dass Hoff zurück nach Berlin gehen könnte, wenn in der Bundeshauptstadt die Möglichkeit bestehen würde, den derzeitigen SPD/CDU-Senat durch ein rot-rot-grünes Bündnis abzulösen. Zwischen 2006 und 2011 war Hoff immerhin schon einmal Staatssekretär für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz im rot-roten Berliner Senat, zwischen 1995 und 2006 saß er im dortigen Abgeordnetenhaus.
Der Kern der Arbeit des Linkspolitikers Hoff in Erfurt: vermitteln, balancieren, ausgleichen.