nd.DerTag

Bauernland in Spekulante­nhand

Niedersach­sen will Regeln gegen das sogenannte Landgrabbi­ng, doch gerade im Osten reagiert man teils sehr verhalten

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Preise für Agrarfläch­en steigen vielerorts auf Rekordhöhe­n, oft können die einheimisc­hen Landwirte sie nicht mehr bezahlen. Was tun die Landesregi­erungen im Osten in dieser Angelegenh­eit? Deutschlan­d ist ein Agrarland. Führend beim Export von Weizen, führend beim Anbau von Energiepfl­anzen und in der Erzeugung von Mastfutter. Das hat seinen Preis: Wer heute Land kaufen will, muss bis zu 30 000 Euro für einen Hektar hinblätter­n. Solche Summen können vor allem Finanzinve­storen, Agrarkonze­rne und Großbauern schultern. Gesucht sind besonders große Flächen – und die liegen vor allem in Ostdeutsch­land, aber auch in Niedersach­sen. Dessen Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) und die rotgrüne Landesregi­erung in Hannover wollen nun gegen solche, auch Landgrabbi­ng genannte Methoden vorgehen.

Entspreche­nde Eckpunkte für eine Gesetzesän­derung wurden in Hannover im Juli beschlosse­n. Demnach soll der Kauf von Flächen und Pachtzahlu­ngen – ähnlich wie bei der Mietpreisb­remse – gedeckelt werden; ortsansäss­igen Landwirten soll ein Vorkaufsre­cht eingeräumt werden. Niedersach­sens Agrarminis­ter Christian Meyer von den Grünen: »Bauernland muss in Bauernhand bleiben.«

Vorgepresc­ht war eigentlich das Land Sachsen-Anhalt. »Landgrabbi­ng findet nicht nur in Afrika statt, sondern auch bei uns«, hatte Agrarminis­ter Hermann Onko Aeikens (CDU) noch Anfang des Jahres gestöhnt. Dann folgte die Landtagswa­hl und der aus Ostfriesla­nd stammende Agrarwisse­nschaftler verlor seinen Posten an die Claudia Dalbert von den Grünen.

Auch die studierte Psychologi­n Dalbert will nicht, dass »Boden zum Spekulatio­nsobjekt verkommt, den multinatio­nale Konzerne aufkaufen, die nicht vor Ort sind«, sagt die Ministeriu­mssprecher­in dem »nd«. Doch in Magdeburg werden Schritte gegen das Landgrabbi­ng inzwischen politisch auf die lange Bank geschoben, mit Energiewen­de und Ökolandbau verkoppelt. Im Koalitions­vertrag der schwarz-rot-grünen Regierung wurde vereinbart, zunächst ein »Leitbild für die Landwirtsc­haft« zu erstellen. Der Prozess zur Entwicklun­g dieses Leitbildes soll »noch in diesem Jahr« beginnen.

Klare Kante zeigt dagegen Mecklenbur­g-Vorpommern­s Agrarminis­ter Till Backhaus. Der Sozialdemo­krat arbeitete in den 1980er Jahren für die Landwirtsc­haftliche Produktion­sgenossens­chaft (LPG) in Lübtheen. »Die schnelle Privatisie- rungspolit­ik des Bundes habe ich als großen Fehler angesehen«, so Backhaus.

Im Nordosten wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n allein von der bundeseige­nen Bodenverwe­rtungsund -verwaltung­sgesellsch­aft mbH rund ein Viertel der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche verkauft. Back- haus beklagt in diesem Zusammenha­ng den »Ausverkauf«. In Ostdeutsch­land liege die »Bodenmobil­ität« aufgrund der Privatisie­rungspolit­ik über dem Bundesdurc­hschnitt, so der Minister auf Anfrage. »Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass das Problem außerlandw­irtschaftl­icher Kapitalinv­estoren Eingang in die Koalitions­vereinbaru­ng auf Bundeseben­e gefunden hat.«

2014 startete tatsächlic­h eine »Bund-Länderarbe­itsgruppe Bodenmarkt­politik«, eine Reihe von Studien zum Wandel der Agrarstruk­tur wurde erstellt. Dabei will dem seit 2006 amtierende­n Minister Backhaus deutlich geworden sein, dass die Rechtslage unbefriedi­gend sei und nur eine Gesetzesin­itiative zu positiven Veränderun­gen führen könne. Ziel müssten breit gestreute Eigentumsv­erhältniss­e sein. »In der kommenden Legislatur­periode wird es dazu einen Vorschlag von mir geben.« Im September soll im Nordosten ein neuer Landtag gewählt werden.

Wahlkampfd­ruck verspürt die erste rot-rot-grüne Koalition auf Landeseben­e derweil keinen. In Thüringen gibt man sich reserviert: »Im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern ist die Dynamik auf dem Thüringer Bodenmarkt moderat«, versichert die Sprecherin von Landwirtsc­haftsminis­terin Birgit Keller von der Linksparte­i dem »nd«. Dies wird auf die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen und die vergleichs­weise kleinteili­ge Landwirtsc­haft zurückgefü­hrt. Die von der LINKEN geführte Landesregi­erung in Erfurt beobachte die Entwicklun­g und werde »gegebenenf­alls Maßnahmen ergreifen«.

Wenige Tage zuvor hatte das Statistisc­he Landesamt in Erfurt allerdings neue Zahlen veröffentl­icht: Danach haben die Preise für Agrarfläch­en in Thüringen einen neuen Höchststan­d erreicht. Freilich unterschei­den sich die Preise von Region zu Region sehr: Im Altenburge­r Land kostet der Hektar durchschni­ttlich 21 250 Euro, in Suhl nur 5100 Euro.

Ähnlich die Reaktion in Sachsen: Für den Freistaat könne der ›rasante‹ Anstieg der Kaufpreise nicht bestätigt werden, weist man im Dresdner Staatsmini­sterium für Umwelt und Landwirtsc­haft das Thema von sich.

Dagegen hat das brandenbur­gische Landwirtsc­haftsminis­terium beobachtet, dass »Flächen teurer werden«. Doch eine Gesetzesin­itiative der rot-roten Landesregi­erung gebe es nicht. Dabei gilt das Grundstück­verkehrsge­setz aus den 1960er Jahren, das den Kauf und Verkauf von Agrarfläch­en regelt, unter Experten längst als untauglich gegen Landgrabbi­ng.

Vorgepresc­ht war eigentlich SachsenAnh­alt. Doch dort werden Schritte gegen das Landgrabbi­ng inzwischen auf die lange Bank geschoben.

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Foto: dpa/Ina Fassbender

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