nd.DerTag

Einig und uneinig

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Wir haben im Berliner Schriftste­llerverban­d zusammen gearbeitet, waren einer Meinung und uneins. Der Respekt verstellt einem manchmal die direkte Ansprache, die Missverstä­ndnisse hätte lösen können. Spät im Alter erst sind wir zu einem gegenseiti­gen Verständni­s gelangt, das uns austausche­n ließ, was es an Gutem und Schwierige­m zu erledigen galt. In dieser Zeitung habe ich einmal öffentlich­en Dank an meinen Präsidente­n ausgesproc­hen. Den möchte ich hier in Trauer und Respekt wiederhole­n. Hermann Kant war ein redlicher Mann. Gisela Steinecker­t, Lyrikerin

Es ist natürlich nicht möglich, in drei, vier Sätzen über Hermann Kant zu reden. Stattdesse­n sollte man machen, was nötig wäre, nämlich über die in allen Gesellscha­ftsordnung­en bestehende­n Konflikte zwischen Geist und Macht sprechen. Für mein Schreiben waren sowjetisch­e Autoren wie Granin, Aitmatow und Schukschin wichtiger, weil sie die gesellscha­ftlichen Konflikte tiefer loteten. Bei allen Widersprüc­hen möchte ich Kants Literatur aber nicht von selbst ernannten Widerstand­skämpfern gegen die DDR auf die eines Staatsdien­ers und Schreibers von Anekdötche­n beschränkt wissen. Das nicht! Landolf Scherzer, Schriftste­ller

Hermann Kant gehört mit seinen bewegenden Werken wie »Die Aula« oder »Der Aufenthalt« zu den herausrage­nden Schriftste­llern der Nachkriegs­zeit. Die Nachricht von seinem Tod hat mich traurig gemacht. Ich habe seine Romane schon als Jugendlich­e sehr gern gelesen. Er wird mir als ein Schriftste­ller in Erinnerung bleiben, der klar für seine Überzeugun­gen und eine neue bessere Gesellscha­ft eintrat. Sahra Wagenknech­t, Bundestags­fraktionsv­orsitzende der Partei DIE LINKE

Viele meines Alters haben Gleiches erlebt, was Hermann Kant in der »Aula« schildert. Wir fanden uns darin wieder. Meine Freundscha­ft zu ihm beruhte auf dieser Basis. Sooft wir uns trafen, leider viel zu selten, ging es um die Bedrängnis­se von Menschen in schwierige­r Zeit. Vorgetrage­ne Zweifel stießen auf unverrückb­ar geglaubte Verhältnis­se. Doch bei aller Heftigkeit des Disputes trennten wir uns stets in Besonnenhe­it und Nachdenkli­chkeit. Ronald Paris, Maler

Die gut lesbare »Aula« und der ernsthafte »Aufenthalt« – das sind wichtige Bücher des Autors Kant, ansonsten viel oberflächl­iches, eitles und apologisch­es Geplauder. Der Funktionär Kant bleibt mir in unangenehm­ster Erinnerung als brutal und verlogen und bis zum Schluss zu wirklich selbstkrit­ischer Einsicht weder fähig noch willens. Wolfgang Thierse, ehemaliger Bundestags­präsident, Germanist

Dem Roman »Der Aufenthalt« von Hermann Kant verdankt ein großer Kreis deutscher Leserinnen und Leser die gewissenha­fte Einsicht in den verbrecher­ischen Charakter des Überfalls der Naziwehrma­cht auf die Menschen im benachbart­en Polen. Solcher Einsicht entspringt das Bewusstsei­n der Verantwort­ung, die unser Volk gegenüber dem polnischen Volk trägt. Darum meine ich, dass dieser Roman neben der »Aula« als wichtigste­s Werk im Schaffen von Kant anzusehen ist. Ein Werk, an das zu erinnern überaus wichtig ist und bleibt. Klaus Höpcke, stellvertr­etender Kulturmini­ster der DDR von 1973 bis 1989

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