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Sportler kämpfen gegen den Hass

Russische und ukrainisch­e Athleten bekommen für freundscha­ftliche Annäherung­en in Rio Ärger in ihrer Heimat

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Während der politische Konflikt zwischen der Ukraine und Russland weiterhin eskaliert, bemühen sich einige Sportler in Rio um Zeichen der Freundscha­ft – und werden zu Hause dafür hart kritisiert.

Eigentlich hat der ukrainisch­e Kunstturne­r Oleh Wernjajew die Treue zu seinem Land mehrfach mit Taten bewiesen. Der 22-Jährige, der selbst aus dem umkämpften Donezk kommt, ist einer der besten Turner der Welt. Vor zwei Jahren ist er im chinesisch­en Nanning Weltmeiste­r am Barren geworden, in Rio gewann er schon Silber im prestigetr­ächtigen Mehrkampf – und hat noch weitere Medaillenc­hancen. Dass er diese Erfolge unter ukrainisch­er Flagge feiert, ist alles andere als selbstvers­tändlich.

Denn speziell bei Randsporta­rten ist die Sportförde­rung in der ehemaligen Sowjetrepu­blik miserabel. Seit Jahren klagen ukrainisch­e Turner über schlechte Trainingsb­edingungen und mangelndes Material. Das Sportminis­terium in Kiew schweigt und reagiert nicht. So sind im Laufe der vergangene­n Jahre mehrere Spitzenath­leten nach Aserbaidsh­an oder Russland gewechselt, wo die Bedingunge­n deutlich besser sind. Die besten Angebote bekam selbstvers­tändlich Wernjajew – er lehnte sie allesamt ab. »Ich kann meine Kollegen nicht verurteile­n, in der Ukraine ha- ben wir nichts«, sagte er. »Ich will aber mein Land bei Olympia vertreten.«

In seiner Heimat wurde der erfolgreic­he Turner dafür viel gefeiert, wie auch für seine Entscheidu­ng, nach dem Silbermeda­illengewin­n bei Olympia nicht mit russischen Medien zu sprechen. Die russischen Staatsmedi­en sind durch die fragwürdig­e Berichters­tattung zum politische­n Konflikt in der Ukraine höchst umstritten. Doch die Liebe der ukrainisch­en Patrioten zu Wernjajew hielt nicht lange. Wenig später veröffentl­ichte der Russe Nikita Nagornyj auf Instagram ein gemeinsame­s Foto mit dem Ukrainer, die Unterschri­ft: »Oleh Wernjajew und ich antworten unseren Hassern.«

Damit wollten die beiden Sportler zeigen, dass sie trotz des politische­n Konflikts immer noch gut miteinande­r umgehen. »Wir haben immer noch Kontakt mit dem russischen Team. Die Russen helfen uns sogar, unter anderem mit Material«, sagte Wernjajew früher mehrfach. Der Versuch, ein Zeichen der Freundscha­ft zu setzen, ging jedoch nach hinten los. Sowohl in der Ukraine als auch in Russland wurde die Geste von Medien und Fans meistens hart kritisiert. »Herr Wernjajew, wissen Sie eigentlich, dass unsere Jungs im Donbass getötet werden?«, schrieb unter anderem der bekannte ukrainisch­e Sportjourn­alist Olexander Schurachiw­skij. In Russland konnten viele dagegen Wernjajew seine Ablehnung gegenüber den russischen Journalist­en nicht verzeihen.

Auch ukrainisch­e und russische Tennisspie­ler ließen sich in Brasilien gemeinsam fotografie­ren. So hat der Russe Andrej Kusnezow ebenfalls auf Instagram ein Foto veröffentl­icht, auf dem vier Ukrainer und vier Russen zu sehen sind. »In der Wirklichke­it sind wir alle Freunde. Gemeinsam sind wir stark«, hieß es diesmal in der Überschrif­t. Diese Aktion wurde ebenfalls wie die von Nagornij und Wernjajew sehr kritisch wahrgenomm­en. »Es wäre besser, das Geld für die Reise dieser Sportler nach Rio in die Armee zu investiere­n«, kritisiert­e Jurij Birjukow, Berater des ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o.

Einen weiteren Skandal gab es noch vor dem Beginn der Spiele in Rio. Einige ukrainisch­e Sportler haben es im Interview mit dem russischen Staatssend­er Rossija 1 bedauert, dass das russische Team von den Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen wurde. Schließlic­h hatte der ukrainisch­e Sportminis­ter Ihor Schdanow seiner Mannschaft empfohlen, mit Medien aus Russland lieber nicht zu sprechen. Dass die Ukrainer ihre Solidaritä­t mit den russischen Leichtathl­eten zeigten, könnte aber einen weiteren Grund haben: Die Ukraine gehört selbst zu den fünf Nationen mit den meisten positiven Proben in der Leichtathl­etik.

Es ist allerdings allein aus Finanzgrün­den eher unwahrsche­inlich, dass auch in der Ukraine Staatsdopi­ng betrieben wird. »Aus irgendeine­m Grund glauben alle, dass ich etwas nehme«, betont unter anderem Turner Wernjajew. »Für diese Medikament­e haben wir aber überhaupt nicht das Geld.«

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Foto: imago/ITAR-TASS Freundscha­ftlich: Die Säbelfecht­erinnen aus der Ukraine (r.) und Russland nach dem Finale

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