Grundgesetzänderung für mehr Wohnungen
Bundesbauministerin Hendricks will Fehler der Föderalismusreform rückgängig machen
Rolle rückwärts: Exakt zehn Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregierung durchgeholt hat, dass die alleinige Zuständigkeit der Länder für den Wohnungsbau nicht funktioniert.
Wie erhaben über jeglichen Einwand war die zwischen 2005 und 2009 schon einmal regierende Große Koalition, als sie mit der Föderalismusreform 2006 den Wohnungsbau den Ländern überhalf. Die Alleinverantwortung vor Ort würde viel punktgenauer, unmittelbarer, direkter – und deshalb besser funktionieren, schrieb sie all ihren Kritikern ins Stammbuch. Nachdem ein Jahrzehnt vergangen und die Wohnungsnot vielerorts mit Händen greifbar ist, will Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) über eine Grundgesetzänderung wieder die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern festschreiben. Dafür hat sie durchaus nachzählbare Argumente.
Zur Erinnerung: In deutschen Landen fehlen heute 800 000 bis eine Million Wohnungen. 400 000 – ein Viertel davon bezahlbare Sozialwohnungen für wenig gut Betuchte – müssten jährlich gebaut werden. Nötig, um dieses Defizit schrittweise abzubauen und insbesondere in den meisten Großstädten, in Ballungszentren und an Universitätsstandorten die verzweifelte Suche vieler Mieter wie auch die mit dieser Nachfrage einhergehenden hurtig galoppierenden Mieten in Griff zu bekommen. Aber 2015 wurden lediglich 247 000 Wohnungen fertiggestellt – die wenigsten davon im unteren oder mittleren Preissegment. Zudem gerade mal ein mickriges Prozent mehr als 2014.
Immerhin hat sich nach jahrelangem Abwiegeln auch im Hause Hendricks – ganz im Gegensatz zur Lobby der Privatvermieter oder dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft – herumgesprochen, dass die Bundesrepublik ein Riesenproblem auf dem Wohnungsmarkt hat. Der Bedarf sei so riesig, so die Ministerin am Dienstag gegenüber der Funke-Mediengruppe, »dass die Länder das auf Dauer nicht alleine stemmen können«. »Wir brauchen die Grundgesetzänderung, um als Bundesregierung wirksam dort helfen zu können, wo die Wohnungsnot am größten ist«, erklärte Hendricks.
Die SPD-Politikerin hat mit dieser Absichtserklärung viele auf ihrer Seite: Sowohl der Mieterbund als auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW begrüßten den Vorstoß hin zu einer gemeinsamen Bund-Länder-Verantwortung. Die mietenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Caren Lay, hielt sich damit jedoch nicht lange auf und erinnerte die schwarz-rote Koalition an die Sünden der Vergangenheit. »Dass der soziale Wohnungsbau komplett zur Ländersa- che gemacht wurde, war ein großer Fehler der Föderalismusreform, denn seither sind in Deutschland Hunderttausende Sozialwohnungen weggefallen«, erklärte sie. Und beschwor den dringend benötigten Neustart im sozialen Wohnungsbau. Doch ob aus dem wirklich etwas wird, darf schon jetzt bezweifelt werden. Die Unionsfraktion im Bundestag hat nämlich auch auf den HendricksVorstoß reagiert – und abgewinkt.