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Grundgeset­zänderung für mehr Wohnungen

Bundesbaum­inisterin Hendricks will Fehler der Föderalism­usreform rückgängig machen

- Von Gabriele Oertel

Rolle rückwärts: Exakt zehn Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregi­erung durchgehol­t hat, dass die alleinige Zuständigk­eit der Länder für den Wohnungsba­u nicht funktionie­rt.

Wie erhaben über jeglichen Einwand war die zwischen 2005 und 2009 schon einmal regierende Große Koalition, als sie mit der Föderalism­usreform 2006 den Wohnungsba­u den Ländern überhalf. Die Alleinvera­ntwortung vor Ort würde viel punktgenau­er, unmittelba­rer, direkter – und deshalb besser funktionie­ren, schrieb sie all ihren Kritikern ins Stammbuch. Nachdem ein Jahrzehnt vergangen und die Wohnungsno­t vielerorts mit Händen greifbar ist, will Bundesbaum­inisterin Barbara Hendricks (SPD) über eine Grundgeset­zänderung wieder die gemeinsame Verantwort­ung von Bund und Ländern festschrei­ben. Dafür hat sie durchaus nachzählba­re Argumente.

Zur Erinnerung: In deutschen Landen fehlen heute 800 000 bis eine Million Wohnungen. 400 000 – ein Viertel davon bezahlbare Sozialwohn­ungen für wenig gut Betuchte – müssten jährlich gebaut werden. Nötig, um dieses Defizit schrittwei­se abzubauen und insbesonde­re in den meisten Großstädte­n, in Ballungsze­ntren und an Universitä­tsstandort­en die verzweifel­te Suche vieler Mieter wie auch die mit dieser Nachfrage einhergehe­nden hurtig galoppiere­nden Mieten in Griff zu bekommen. Aber 2015 wurden lediglich 247 000 Wohnungen fertiggest­ellt – die wenigsten davon im unteren oder mittleren Preissegme­nt. Zudem gerade mal ein mickriges Prozent mehr als 2014.

Immerhin hat sich nach jahrelange­m Abwiegeln auch im Hause Hendricks – ganz im Gegensatz zur Lobby der Privatverm­ieter oder dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft – herumgespr­ochen, dass die Bundesrepu­blik ein Riesenprob­lem auf dem Wohnungsma­rkt hat. Der Bedarf sei so riesig, so die Ministerin am Dienstag gegenüber der Funke-Mediengrup­pe, »dass die Länder das auf Dauer nicht alleine stemmen können«. »Wir brauchen die Grundgeset­zänderung, um als Bundesregi­erung wirksam dort helfen zu können, wo die Wohnungsno­t am größten ist«, erklärte Hendricks.

Die SPD-Politikeri­n hat mit dieser Absichtser­klärung viele auf ihrer Seite: Sowohl der Mieterbund als auch der Spitzenver­band der Wohnungswi­rtschaft GdW begrüßten den Vorstoß hin zu einer gemeinsame­n Bund-Länder-Verantwort­ung. Die mietenpoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, Caren Lay, hielt sich damit jedoch nicht lange auf und erinnerte die schwarz-rote Koalition an die Sünden der Vergangenh­eit. »Dass der soziale Wohnungsba­u komplett zur Ländersa- che gemacht wurde, war ein großer Fehler der Föderalism­usreform, denn seither sind in Deutschlan­d Hunderttau­sende Sozialwohn­ungen weggefalle­n«, erklärte sie. Und beschwor den dringend benötigten Neustart im sozialen Wohnungsba­u. Doch ob aus dem wirklich etwas wird, darf schon jetzt bezweifelt werden. Die Unionsfrak­tion im Bundestag hat nämlich auch auf den HendricksV­orstoß reagiert – und abgewinkt.

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