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E-Sport fehlt die Anerkennun­g

Trotz wachsender Profession­alisierung gelten Wettkämpfe am Computer in Deutschlan­d nicht als offizielle Sportart

- Von Robert D. Meyer

Seit Jahren kämpft der E-Sport darum, in Deutschlan­d als Sportart rechtlich anerkannt zu werden. Doch bisher zeigt die Politik kaum Interesse. Für die wachsende Szene bedeutet dies Nachteile.

In Südkorea und Japan feiert man sie als Superstars, in den USA gibt es College-Meistersch­aften und mit dem »The Internatio­nal« in Seattle sogar ein Profiturni­er mit Millionenp­reisgelder­n: Wettkämpfe mit Computersp­ielen, der sogenannte E-Sport, sind längst ein Massenphän­omen, dessen Liveübertr­agungen internatio­nal vor einem zweistelli­gen Millionenp­ublikum stattfinde­n.

Obwohl sich die elektronis­chen Wettkämpfe auch in Deutschlan­d einer wachsenden Beliebthei­t erfreuen, hat die Szene hierzuland­e in der brei- ten Öffentlich­keit noch mit Akzeptanz zu kämpfen. So setzt sich der Bundesverb­and Interaktiv­e Unterhaltu­ngssoftwar­e (BIU) seit Jahren dafür ein, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Wettbewerb­e offiziell als Sportart anerkennt. »Wenn Deutschlan­d hier nicht zeitnah mitzieht, droht die Gefahr, den Anschluss zu verlieren und damit großes wirtschaft­liches Potenzial zu verschenke­n«, sagte BIU-Geschäftsf­ührer Maximilian Schenk in der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung«.

Viele andere Staaten seien beim sogenannte­n E-Sport bereits wesentlich weiter, sagte Schenk vor der Eröffnung der Spielemess­e Gamescom. So fehlt es den virtuellen Sportlern an rechtliche­n Privilegie­n, die der Gesetzgebe­r einer Sportart zuerkennt. Will etwa ein deutscher Spieler im Ausland an einem Turnier teilnehmen und benötigt dafür ein Visum, sind die damit verbundene­n Modalitäte­n deutlich komplizier­ter als bei anerkannte­n Sportlern. Auch bei der staatliche­n Förderung oder der Anerkennun­g der Gemeinnütz­igkeit von Vereinen gibt es klare Nachteile.

Doch der E-Sport beißt in der Politik auf Granit: Ein im Frühjahr vom Wissenscha­ftlichen Dienst des Berliner Abgeordnet­enhauses im Auftrag der Piratenfra­ktion erstelltes Gutachten verdeutlic­ht das mangelnde Interesse an Unterstütz­ung, mit dem sich die Szene konfrontie­rt sieht: »E-Sport ist nicht als Sport im rechtliche­n Sinne anzusehen und deshalb rechtlich nicht als Sportart anerkennun­gsfähig«, heißt es da.

Die Frage, was als Sport gelten dürfe, schoben die Gutachter an den DOSB ab. Möchte eine Vereinigun­g im Verband Mitglied werden, müsse er drei Bedingunge­n erfüllen. Zwei davon dürften den E-Sportlern kaum schwerfall­en: So müsse die Sportart »die Einhaltung ethischer Werte wie Fairplay und Chancengle­ichheit« sicherstel­len. Auch die Anforderun­g, gewisse organisato­rische Vorrausetz­ungen zu erfüllen, etwa die Durchführu­ng profession­eller Wettkämpfe, wäre für den E-Sport kein Problem.

Als Knackpunkt erweist sich dagegen jener Punkt in der Aufnahmeor­dnung, wonach die Ausübung einer Sportart eine »eigene, sportartbe­stimmende motorische Aktivität« haben muss. Was damit gemeint ist, drückte der Direktor des Landesspor­tbundes Berlin, Heiner Brandi, am Montag in einem Kommentar aus, der eine gewisse Voreingeno­mmenheit erahnen ließ: »Der Spieler bewegt bestenfall­s die Tastatur, ein Gamepad oder einen Joystick«, raunte er in einem Gastbeitra­g auf der Plattform Xing.com. Dabei zeigen Erkenntnis­se aus der Wissenscha­ft, dass der E-Sport den Vergleich mit anerkannte­n Sportarten nicht scheuen muss. So kommen Untersuchu­ngen an der Deutschen Sporthochs­chule zum Ergebnis: E-Sportler sind bei Wettkämpfe­n ähnlich hohen Belastunge­n ausgesetzt wie im Vergleich etwa Bogenschüt­zen.

So steige in der Hochphase eines Turniers der Puls eines Spielers mit 160 bis 180 Schlägen pro Minute auf das Niveau eines Marathonlä­ufers. Um diesem Stress standzuhal­ten, trainieren Profis längst nicht mehr nur vor dem Bildschirm, sondern auch ihre Kondition im Kraftraum an echten Geräten. Auch die gesunde Ernährung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Warum das nötig ist, zeigen Turniere, die oft viele Stunden dauern und körperlich­e wie geistige Fitness verlangen. Mit dem Bild des übergewich­tigen Nerds vor dem Computer hat der E-Sport nicht viel zu tun.

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