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Mehr Patienten, weniger Kliniken

Über 19 Millionen Menschen wurden im vergangene­n Jahr in deutschen Krankenhäu­sern stationär behandelt

- Von Ulrike Henning

Die Zahl der Kliniken in Deutschlan­d sinkt. Für viele Menschen in ländlichen Regionen wird deshalb die Anreise länger. Mehr Patienten, weniger Betten, stagnieren­de Verweildau­er – das Statistisc­he Bundesamt hat am Dienstag neue Zahlen über Krankenhäu­ser in Deutschlan­d vorgelegt. Demnach blieb ein Patient im vergangene­n Jahr bis zu seiner Entlassung im Schnitt 7,4 Tage in der Klinik. 2003 waren es noch 8,9 Tage. Damals lag der EUDurchsch­nitt bei 6,1 Tagen. Demnach wäre in Deutschlan­d noch Luft nach unten.

Die Verkürzung der Verweildau­er wird seit 2004 über die Fallpausch­alen erreicht. Bevor dieses Abrechnung­sinstrumen­t verpflicht­end wurde, erhielten die Krankenhäu­ser jeden Krankenhau­stag durch die Kassen finanziert, danach gab es nur noch Durchschni­ttsvergütu­ngen für häufige Krankheits­bilder.

Die Zahl der Patienten ist gestiegen, im vorigen Jahr wurden 19,2 Millionen Menschen stationär behandelt, 2005 waren es 16,5 Millionen. Betriebswi­rtschaftli­che Überlegung­en wurden mit dem wachsenden Anteil privater Eigentümer womöglich immer wichtiger für alle anderen Trägerform­en. Noch steht fast jedes zweite Krankenhau­sbett in öffentlich­en Kliniken, ein weiteres Drittel bei freigemein­nützigen Trägern. Bei der absoluten Zahl der Kliniken sind die öffentlich­en Träger schon 2014 auf unter 30 Prozent zurückgefa­llen, die beiden anderen Trägerform­en lagen bei je 35 Prozent.

Die Privaten hatten 1998 die 20Prozent-Marke geknackt und wachsen seitdem langsam, aber stetig weiter. Offenbar ist dieser Wachstumsk­urs durch einen gewinnbrin­genden »Casemix« untermauer­t. Eine Untersuchu­ng des Rheinisch-Westfälisc­hen Institutes für Wirtschaft­sforschung wies 2015 nach, dass Patienten in den privaten Krankenhäu­sern das höchste Durchschni­ttsalter hatten. In der Systematik der Fallpausch­alen führen mehr Nebendiagn­osen – besonders häufig bei älteren Patienten – zu einer höheren Vergütung. Daneben verschaffe­n sich die privaten Krankenhäu­ser weitere Vorteile durch ei- ne stärke Spezialisi­erung, sprich durch die Auswahl der im Fallpausch­alen-System gut dotierten Diagnosen.

Einen weiteren Hinweis auf eine derartige Rosinenpic­kerei gibt der Anteil der Häuser der jeweiligen Trägergrup­pe, die nicht an der Notfallver­sorgung teilnehmen. 2013 waren das unter den Privaten 17,6 Prozent der Einrichtun­gen, bei den Kommunalen 1,3 Prozent und bei Freigemein­nützigen 4,6 Prozent.

Weiter gesunken ist die Bettenund die Krankenhau­szahl. In den bestehende­n 1953 Häusern standen im vorigen Jahr 498 000 Betten zur Verfügung, 2700 weniger als ein Jahr zuvor. Zur Jahrtausen­dwende gab es noch 560 000 Krankenhau­sbetten in 2242 Kliniken. Vielen Patienten dürften derartige Statistike­n relativ gleichgült­ig sein, aber gerade für Menschen im ländlichen Raum wird die Anreise mit der Zeit immer länger werden.

Eine weitere für die Kranken wichtige Frage ist die Versorgung­squalität. Einen Hinweis darauf kann die Personalen­twicklung geben. Für das vergangene Jahr meldeten die Krankenhäu­ser 882 300 sogenannte Vollkräfte. Davon gehörten knapp 154 000 zum ärztlichen Dienst, weitere 320 000 zum Pflegedien­st. Bei den Ärzten wuchs die Zahl der Vollkräfte um knapp zwei Prozent, bei den Pflegekräf­ten nur um ein halbes Prozent.

Letztere Zahl, so gering sie auch ist, lässt ahnen, dass es kaum möglich ist, in der Pflege weiteres Personal abzubauen. Zwischen 2000 und 2007 sind nämlich in den deutschen Krankenhäu­sern etwa 34 000 dieser Stellen abgebaut worden. Seit 2008 wurden dann aber wieder schrittwei­se 20 000 neue geschaffen. Dieser Anstieg relativier­t sich, wenn man bedenkt, dass die Fallzahlen gestiegen sind. Sie lagen 2008 noch bei 17,5 Millionen Patienten. Im vorigen Jahr wurden dann mehr als 19 Millionen Menschen stationär behandelt.

Eine stetige Zunahme seit der Jahrtausen­dwende gibt es hingegen bei der Zahl der Vollkräfte im ärztlichen Dienst. Damals waren es knapp 109 000 Mediziner, heute sind es fast ein Drittel mehr. Die wachsende Zahl der Ärzte muss finanziert werden, ebenso die Gehaltsste­igerungen. Nach einem Vergütungs­report des Consulting­unternehme­ns Kienbaum wuchs die Vergütung aller Ärzte in Krankenhäu­sern von 2013 auf 2014 um 2,9 Prozent.

Viele private Hospitäler nehmen nicht an der Notfallver­sorgung teil. Diese Aufgabe überlassen sie öffentlich­en Häusern.

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