Minigolf statt Guillotine
PeWoBe-Mitarbeiter von fristlos gekündigten Flüchtlingsunterkünften verteidigen sich
Neue Sicherheitsfirma, neue Heimleitung – zum Juni tauschte die PeWoBe einen Großteil des Personals im Asylheim in Hellersdorf aus. Für einen Wandel reichte das nicht.
Kinder fahren auf dem Hof Fahrrad. Es sind Sommerferien, sie müssen nicht zur Schule. Die Gebäude um sie herum gehören zu einer Flüchtlingsunterkunft des Betreibers »Professionelle Wohnen- und Betreuungsgesellschaft« (PeWoBe). Die steht seit Wochen unter starkem medialem Beschuss. Nach Vorwürfen über schlechte Bedingungen im Heim, Bekanntwerden der DVU-Vergangenheit der Heimleiterin und eines Mailverkehrs über »Kinderguillotinen« und »Krematorien« kündigte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am vergangenen Wochenende an, alle neun PeWoBe-Heime fristlos zu kündigen. Die PeWoBe wies alle Vorwürfe von sich und will sich juristisch gegen die Kündigung wehren.
Am Dienstagvormittag stehen Peggy Müller, Leiterin des Heims in der Carola-Neher-Straße, und Birgit Bley, Geschäftsführerin der PeWoBe, im Eingangsbereich der Hellersdorfer Unterkunft. Sie wirken nervös, vorsichtig. Später sagt Bley: »Sie können sich vorstellen, dass wir derzeit sehr skeptisch sind. Bisher hat kein Medium ein gutes Haar an uns gelassen.«
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe am 23. Juli ist dies das erste Mal, dass sie einen Medienvertreter empfangen. Sie wäre gerne bereit gewesen, das Heim zu zeigen, aber kein Journalist hätte bisher darum gebeten, sagt Bley. Anfragen des »nd«, die Vorwürfe zu kommentieren, blieben andererseits öfter unbeantwortet, lediglich der Anwalt meldete sich in jüngerer Vergangenheit, nachdem der erste Artikel bereits erschienen war. Selbst auf Presseanfragen zu reagieren, sei »im Moment zeitlich nicht machbar«, sagt Bley.
Nicht nur mit der Presse kommunizierte die PeWoBe in den vergangenen Wochen per Anwalt. Auch die Initiative Hellersdorf hilft wurde nach Vorwürfen anwaltlich aufgefordert, bestimmte Äußerungen zu unterlassen. »Hellersdorf hilft hat sich, ohne mit uns vorher zu sprechen, an die Öffentlichkeit gewendet«, sagt Bley. Deshalb habe auch die PeWoBe davon abgesehen, das Gespräch mit der Initiative zu suchen.
»Wir haben nicht geglaubt, dass es was bringt, mit der PeWoBe zu reden«, sagt Stephan Jung von Hellersdorf hilft. Ein Großteil der Vorwürfe hat die Initiative mittlerweile auf Aufforderung der PeWoBe per Unterlassungserklärung zurückgezogen. Die Vorwürfe gründeten sich laut Jung auf Aussagen mehrerer Bewohner, die regelmäßig in den von Hellersdorf hilft geführten Nachbarschaftstreff »LaLoka« nahe des Heims kommen.
In den vergangenen zwölf Monaten wechselte in der Unterkunft mehrmals die Heimleitung. Zuletzt übernahm Ende 2015 B., der zuvor schon als Sozialarbeiter in der Carola-Neher-Straße beschäftigt war. Die meisten Vorwürfe bezogen sich auf seine Regie. Auch wenn die PeWoBe die meisten Vorwürfe abstreitet, hat sie Ende Mai dennoch personelle Veränderungen im Heim vorgenommen. Die Sicherheitsfirma wurde ausgetauscht. Außerdem wurde B. gekündigt. »Er war nicht geeignet als Heimleiter«, sagt Bley. Mehr will sie dazu nicht sagen.
Doch laut Jung verhalten sich Mitarbeiter noch immer den Bewohnern gegenüber schroff und gäben ihnen zu verstehen, dass ihre Beschwerden nicht erwünscht seien. Von den Bewohnern selbst lässt sich vor Ort nicht viel erfahren. »Hier wohnen viele Menschen unterschiedlicher Kulturen, da gibt es immer Probleme«, sagt Mohammad Kassm aus Syrien. »Alles ist gut«, sagen zwei Bewohner, die sich schnell wegdrehen. »Alles ist ein Problem«, sagt hingegen ein anderer. Doch seine Frau redet auf ihn ein, setzt sich weg, und er macht schließlich eine Handbewegung, als wolle er seinen Mund abschließen. Ständig sind Mitarbeiter des Heims oder Sicherheitsleute auf dem Hof.
Im hinteren Teil des Hofs liegt der Spielplatz. Er war Gegenstand des Mailverkehrs vom Juli 2015, den die »B.Z.« vergangenes Wochenende öffentlich gemacht hatte. Müller schlug darin vor, dort eine »Kinderguiolltine« (sic.) aufzustellen. Laut Müller handelte es sich dabei um einen Fehler ihres Handy-Schreibprogramms T9. »Ich habe die Mail abgeschickt, ohne sie noch mal durchzulesen.« Gleich darauf habe sie den Fehler bemerkt und eine Mail hinterhergeschickt. Der Inhalt: »Scheiß T9, das sollte Kinderminigolfanlage heißen.« Beim Selbstversuch wird beim besten Willen aus »Kinderminigolfanlage« in allen möglichen Abwandlungen nicht »Kinderguillotine«. Vor allem nicht falsch geschrieben. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten hat einem Schreiben aus dem Hause zufolge den kompletten Mailwechsel eingesehen. »Von der Absicht, hierauf eine außerordentliche Kündigung zu stützen, nehme ich Abstand«, heißt es darin. Für die fristlose Kündigung der Senatsverwaltung aber soll der Gesamteindruck entscheidend gewesen sein.