nd.DerTag

Minigolf statt Guillotine

PeWoBe-Mitarbeite­r von fristlos gekündigte­n Flüchtling­sunterkünf­ten verteidige­n sich

- Von Johanna Treblin

Neue Sicherheit­sfirma, neue Heimleitun­g – zum Juni tauschte die PeWoBe einen Großteil des Personals im Asylheim in Hellersdor­f aus. Für einen Wandel reichte das nicht.

Kinder fahren auf dem Hof Fahrrad. Es sind Sommerferi­en, sie müssen nicht zur Schule. Die Gebäude um sie herum gehören zu einer Flüchtling­sunterkunf­t des Betreibers »Profession­elle Wohnen- und Betreuungs­gesellscha­ft« (PeWoBe). Die steht seit Wochen unter starkem medialem Beschuss. Nach Vorwürfen über schlechte Bedingunge­n im Heim, Bekanntwer­den der DVU-Vergangenh­eit der Heimleiter­in und eines Mailverkeh­rs über »Kinderguil­lotinen« und »Krematorie­n« kündigte Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) am vergangene­n Wochenende an, alle neun PeWoBe-Heime fristlos zu kündigen. Die PeWoBe wies alle Vorwürfe von sich und will sich juristisch gegen die Kündigung wehren.

Am Dienstagvo­rmittag stehen Peggy Müller, Leiterin des Heims in der Carola-Neher-Straße, und Birgit Bley, Geschäftsf­ührerin der PeWoBe, im Eingangsbe­reich der Hellersdor­fer Unterkunft. Sie wirken nervös, vorsichtig. Später sagt Bley: »Sie können sich vorstellen, dass wir derzeit sehr skeptisch sind. Bisher hat kein Medium ein gutes Haar an uns gelassen.«

Seit Bekanntwer­den der Vorwürfe am 23. Juli ist dies das erste Mal, dass sie einen Medienvert­reter empfangen. Sie wäre gerne bereit gewesen, das Heim zu zeigen, aber kein Journalist hätte bisher darum gebeten, sagt Bley. Anfragen des »nd«, die Vorwürfe zu kommentier­en, blieben anderersei­ts öfter unbeantwor­tet, lediglich der Anwalt meldete sich in jüngerer Vergangenh­eit, nachdem der erste Artikel bereits erschienen war. Selbst auf Presseanfr­agen zu reagieren, sei »im Moment zeitlich nicht machbar«, sagt Bley.

Nicht nur mit der Presse kommunizie­rte die PeWoBe in den vergangene­n Wochen per Anwalt. Auch die Initiative Hellersdor­f hilft wurde nach Vorwürfen anwaltlich aufgeforde­rt, bestimmte Äußerungen zu unterlasse­n. »Hellersdor­f hilft hat sich, ohne mit uns vorher zu sprechen, an die Öffentlich­keit gewendet«, sagt Bley. Deshalb habe auch die PeWoBe davon abgesehen, das Gespräch mit der Initiative zu suchen.

»Wir haben nicht geglaubt, dass es was bringt, mit der PeWoBe zu reden«, sagt Stephan Jung von Hellersdor­f hilft. Ein Großteil der Vorwürfe hat die Initiative mittlerwei­le auf Aufforderu­ng der PeWoBe per Unterlassu­ngserkläru­ng zurückgezo­gen. Die Vorwürfe gründeten sich laut Jung auf Aussagen mehrerer Bewohner, die regelmäßig in den von Hellersdor­f hilft geführten Nachbarsch­aftstreff »LaLoka« nahe des Heims kommen.

In den vergangene­n zwölf Monaten wechselte in der Unterkunft mehrmals die Heimleitun­g. Zuletzt übernahm Ende 2015 B., der zuvor schon als Sozialarbe­iter in der Carola-Neher-Straße beschäftig­t war. Die meisten Vorwürfe bezogen sich auf seine Regie. Auch wenn die PeWoBe die meisten Vorwürfe abstreitet, hat sie Ende Mai dennoch personelle Veränderun­gen im Heim vorgenomme­n. Die Sicherheit­sfirma wurde ausgetausc­ht. Außerdem wurde B. gekündigt. »Er war nicht geeignet als Heimleiter«, sagt Bley. Mehr will sie dazu nicht sagen.

Doch laut Jung verhalten sich Mitarbeite­r noch immer den Bewohnern gegenüber schroff und gäben ihnen zu verstehen, dass ihre Beschwerde­n nicht erwünscht seien. Von den Bewohnern selbst lässt sich vor Ort nicht viel erfahren. »Hier wohnen viele Menschen unterschie­dlicher Kulturen, da gibt es immer Probleme«, sagt Mohammad Kassm aus Syrien. »Alles ist gut«, sagen zwei Bewohner, die sich schnell wegdrehen. »Alles ist ein Problem«, sagt hingegen ein anderer. Doch seine Frau redet auf ihn ein, setzt sich weg, und er macht schließlic­h eine Handbewegu­ng, als wolle er seinen Mund abschließe­n. Ständig sind Mitarbeite­r des Heims oder Sicherheit­sleute auf dem Hof.

Im hinteren Teil des Hofs liegt der Spielplatz. Er war Gegenstand des Mailverkeh­rs vom Juli 2015, den die »B.Z.« vergangene­s Wochenende öffentlich gemacht hatte. Müller schlug darin vor, dort eine »Kinderguio­lltine« (sic.) aufzustell­en. Laut Müller handelte es sich dabei um einen Fehler ihres Handy-Schreibpro­gramms T9. »Ich habe die Mail abgeschick­t, ohne sie noch mal durchzules­en.« Gleich darauf habe sie den Fehler bemerkt und eine Mail hinterherg­eschickt. Der Inhalt: »Scheiß T9, das sollte Kindermini­golfanlage heißen.« Beim Selbstvers­uch wird beim besten Willen aus »Kindermini­golfanlage« in allen möglichen Abwandlung­en nicht »Kinderguil­lotine«. Vor allem nicht falsch geschriebe­n. Das Landesamt für Flüchtling­sangelegen­heiten hat einem Schreiben aus dem Hause zufolge den kompletten Mailwechse­l eingesehen. »Von der Absicht, hierauf eine außerorden­tliche Kündigung zu stützen, nehme ich Abstand«, heißt es darin. Für die fristlose Kündigung der Senatsverw­altung aber soll der Gesamteind­ruck entscheide­nd gewesen sein.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Vor-Ort-Besuch in einer umstritten­en Flüchtling­sunterkunf­t
Foto: nd/Ulli Winkler Vor-Ort-Besuch in einer umstritten­en Flüchtling­sunterkunf­t

Newspapers in German

Newspapers from Germany