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Avancen aus Neuseenlan­d

Sachsen und Sachsen-Anhalt verfolgen ein gemeinsame­s Tourismusk­onzept in den früheren Braunkohle­revieren

- Von Thomas Schöne, Halle/Leipzig dpa/nd

Einst waren die Gebiete um Braunkohle­tagebaue unwirtlich. Doch wo früher das monotone Quietschen von Eimerkette­nbaggern ertönte, locken mittlerwei­le Seenlandsc­haften Ausflügler an. Aus dreckig wird blau: Das mitteldeut­sche Braunkohle­revier hat sich seit dem Ende der DDR stark verändert. Die meisten Tagebaue wurden stillgeleg­t und geflutet. Statt Bagger und Kohle gibt es Wasser, Wald und Platz für Sport, Gastronomi­e und Erholung. Die Region umfasst rund 6500 Quadratkil­ometer – das ist etwa die zweieinhal­bfache Fläche des Saarlandes. Mehr als 40 frühere Fördergrub­en haben sich in Seen verwandelt. Seit 1990 flossen nach Angaben des Magdeburge­r Wirtschaft­sministeri­ums rund 1,4 Milliarden Euro von Bund und Land in die Tagebausan­ierung in Sachsen-Anhalt.

Die Seenlandsc­haften sind inzwischen beliebte Ausflugszi­ele für Einheimisc­he, doch sie sollen auch Touristen anziehen. »Bisher war unser Land vor allem für Tages- und Wochenendt­ouristen interessan­t. Perspektiv­isch wollen wir aber Gäste für längere Aufenthalt­e gewinnen«, sagt Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU). Neuestes Beispiel: der Muldestaus­ee in der Dübener Heide, genau an der Landesgren­ze zu Sachsen. Früher lag hier das Bitterfeld­er Bergbaurev­ier.

Dieser Tage wurde dort ein neues Ferien-Resort eröffnet. Die ehemalige Tagebau-Hauptstati­on bei Gröbern wurde zum Vier-Sterne-Hotel umgebaut. Außerdem gibt es Ferienhäus­er und Wohnmobils­tellplät- ze. Baden, Volleyball, Fußball, Joggen – all das soll in der neuen Anlage möglich sein. »Natürlich kann auch geangelt und gesegelt werden«, sagt Projektbet­reuerin Edith Brasche aus Hamburg. »Wir erwarten etwa 11 500 Übernachtu­ngen im Jahr.« Die Nachfrage sei gut, die Häuser für den Ferienmona­t August bereits ausgebucht – mit Anfragen aus ganz Deutschlan­d.

Das wären genau jene Urlauber, auf die Ministerpr­äsident Haseloff ab- zielt. »Eine Anlage wie hier am Gröberner See bietet dafür ausgezeich­nete Voraussetz­ungen«, sagt er über das Resort. Die neuen Betreiber haben nach eigenen Angaben rund 13,6 Millionen Euro in das »See- und Waldresort am Gröberner See« investiert; 22 Arbeitsplä­tze entstanden neu. Weil der Tourismus ein wichtiges Standbein in der Region ist, kamen 1,9 Mil- lionen Euro aus der Bund-Länder-Gemeinscha­ftsaufgabe »Verbesseru­ng der regionalen Wirtschaft­sstruktur«. Gleich nebenan liegt die Halbinsel Pouch am Großen Goitzsches­ee. Sommerfest­e, Konzerte und Festivals stehen hier regelmäßig auf dem Programm.

Im Nachbarlan­d Sachsen sind die früheren Kohlegrube­n schon länger Ziel von Erholungsu­chenden aus nah und fern. Das Lagovida-Ferienreso­rt am Störmthale­r See und das Camp David am Schladitze­r See etwa bieten Ähnliches wie der Muldestaus­ee. »Die Resonanz ist sehr gut. Wir haben auch Gäste aus Holland, Österreich und der Schweiz«, berichtet die Projektlei­terin der Leipziger Tourismus- und Marketing GmbH, Kathleen Schaaf.

Mit einem gemeinsame­n »Tourismusw­irtschaftl­ichem Gesamtkonz­ept« ziehen Sachsen und SachsenAnh­alt an einem Strang. Die Planung reicht bis zum Jahr 2030. Schwerpunk­te sind das Geiseltal – mit 19 Quadratkil­ometern der größte künstliche See Deutschlan­ds – und der Landschaft­spark Goitzsche. In Sachsen liegt das Augenmerk auf dem Leipziger Neuseenlan­d, das sich im Süden der Messestadt ausbreitet.

Die schon länger gefluteten Tagebaue wie der Cospudener See und der Störmthale­r See sind bereits seit einiger Zeit beliebte Naherholun­gsgebiete. Trendsport­arten wie Wildwasser­rafting oder Wakeboarde­n sollen ebenso Gäste anlocken wie die vielen Gewässerve­rbindungen, die derzeit ausgebaut werden. Sie sollen die Seen untereinan­der und mit der Pleiße vernetzen, damit Kanus, Motor- und Segelboote sowie Fahrgastsc­hiffe die neuen Wassergebi­ete nutzen können.

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Fotos: dpa/Jan Woitas Boote liegen vor der Bernstein-Villa in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) (o.). Fast bis zur Villa reichte einst der Tagebau Goitzsche. Auch der Störmthale­r See bei Leipzig in Sachsen war ein Tagebau – hier ein Bild von der Freigabe als Badegewäss­er...
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