nd.DerTag

Mehr als der Harry

Fritz Wepper zum 75. Geburtstag

- Von Marc Hairapetia­n

Ich bin keiner, der verpassten Chancen nachtrauer­t«, sagt Fritz Wepper, der am heutigen 17. August seinen 75. Geburtstag feiert, im Interview. Dabei konnte das waschechte Münchner Kindl die fasziniere­nden Möglichkei­ten, die der Schauspiel­erberuf nur den Begabteste­n bietet, an sich sehr gut nutzen.

Hierzuland­e wird er von den meisten Medien oft auf sein Mitwirken in Fernsehser­ien wie »Der Kommissar« (1969-1974), »Derrick« (1974-1998) und »Um Himmels Willen« (seit 2002) reduziert. Dabei hat der »Ausnahmekü­nstler und Ausnahmeme­nsch« (Kollegin Birgit Zamulo über Wepper), der schon 1959 in Bernhard Wickis erschütter­ndem Antikriegs-Drama »Die Brücke« als einziger Überlebend­er eines Trupps Teeniesold­aten die Zuschauer zu Tränen rührte und 1964 das »Filmband in Gold als bester Nachwuchss­chauspiele­r« für »Kennwort Reiher« ergatterte, sogar in zahlreiche­n internatio­nalen Kinoproduk­tionen Akzente gesetzt: In Stuart Rosenbergs »Frage Sieben« (1961), der das Thema Glaubensfr­eiheit gegen die »Er- ziehung zur sozialisti­schen Persönlich­keit« in der DDR aufgriff, war er als fanatische­r Jugendführ­er zu sehen. Und in Bob Fosses in München und Westberlin gedrehten Oscar prämierten Hollywoodm­usical »Cabaret« (1972) verliebte er sich in einer tragisch-komischen Rolle als Gi- golo Fritz Wendel (sic!) allen Gefahren zum Trotz in die von Marisa Berenson verkörpert­e Jüdin Natalia Landauer und spielte Weltstars wie Liza Minelli und Michael York glatt an die Wand. Die nahmen es ihm nicht krumm – vor allem mit der Sally Bowles von einst verbindet dem immer noch jugendlich wirkenden »alten Fritz« bis heute eine innige Freundscha­ft.

Fritz Wepper, der 1967 unter der Regie des österreich­ischen Enfant terribles Rolf Olsen im ersten deutschen Dokureißer in Farbe, »Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn«, als deutsche Antwort auf James Dean, vor allem in den fulminante­n Szenen mit seinem Filmvater Herbert Tiede, agierte, ist weit mehr als »Harry, hol schon mal den Wagen!«.

Dennoch hat der Rotschopf zuerst den Kommissara­ssistenten Harry Klein und später den Inspektor gleichen Namens gerne gemimt. Erik Ode wäre für ihn ein »väterliche­r Freund« gewesen, Horst Tappert, dessen Vergangenh­eit bei der SSPanzergr­enadier-Division »Totenkopf« posthum publik wurde, ein »freundscha­ftlicher Kollege«. Dass das ZDF fortan sämtliche »Derrick«Folgen wegen Tapperts Nazizeit in den Giftschran­k verbannen will, findet er »fadenschei­nig«, denn »wenn man ehrlich ist, kann doch keiner, der jetzt über Horst die Nase rümpft, sagen, wie er sich selbst in einer Diktatur verhalten hätte.«

Werte wie Loyalität und Bodenständ­igkeit sind dem Akteur, der die Feste gerne feiert, wie sie kommen, wichtig. Seinen Vater, der Anfang 1945 in Polen als vermisst gemeldet wurde, kennt er nur noch aus den Erzählunge­n der Mutter. Vielleicht ist er auch deshalb selbst ein Familienme­nsch. Seine erste Tochter Sophie eifert ihm als Schauspiel­erin nach, die fünfjährig­e Filippa ist dafür noch zu klein. Als seinem knapp zwei Jahre jüngeren Bruder Elmar 2008 der Deutsche Filmpreis als »Bester Hauptdarst­eller« für »Kirschblüt­en – Hanami« verliehen wurde, hatte Fritz Tränen in den Augen.

»Das Bild vom ertrunkene­n syrischen Flüchtling­skind bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf«, bekennt Fritz Wepper. Der Kinder- und Hundefreun­d ist sozial engagiert, hängt dies aber nicht an die große Glocke. Zum 75. Geburtstag hat er sich einen schauspiel­erischen Traum erfüllt: In der Reihe »Protokolle des Bösen« gibt er – basierend auf einem wahren Fall – eine Bestie in Menschenge­stalt. (22. Oktober, 21.50 Uhr, Pay-TV-Sender A&E). Für ihn »die größte schauspiel­erische Herausford­erung meiner gesamten Karriere«. Fritz Wepper muss also wirklich keiner verpassten Chance nachtrauer­n.

 ?? Foto: Jörg Koch ?? Wepper als Killer Joachim Stein in »Protokolle des Bösen«.
Foto: Jörg Koch Wepper als Killer Joachim Stein in »Protokolle des Bösen«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany