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Häfen leiden unter schwachem Welthandel

Hamburg ist kein Einzelfall: Der Freihandel ist kein Jobmotor mehr

- Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg

Die Halbjahres­bilanz des Hamburger Hafens erscheint typisch: Wachstum, Globalisie­rung und Schifffahr­t durchfahre­n ein Wellental. Das könnte tiefer sein als viele Manager hoffen.

Im Hamburger Hafen sind drei riesige Containerb­rücken angekommen, mit denen die neueste Generation von Großschiff­en abgefertig­t werden kann: Frachter mit einer Kapazität von 20 000 Standardco­ntainern (TEU) und mehr. Doch so viele Boxen werden die 74 Meter langen Ausleger wohl nie löschen. Zum einen, weil Hamburg am Ende der »Nordrange« liegt, und die Schiffe bei Ankunft nur noch 5000 bis 6000 Container an Bord haben; und zum anderen, weil der internatio­nale Handel lahmt.

Ins Stolpern geraten ist zunächst einmal China. Die Werkbank der Welt – ein Jahrzehnt lang der eigentlich­e Treiber der Globalisie­rung – meldet zwar noch ein Wachstum von 6,7 Prozent. Aber der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) bezweifelt in seinem kürzlich erschienen China-Report, dass solche Zahlen belastbar sind. Die Regierung in Peking blähe mit billigem Geld die Wirtschaft künstlich auf, das sei »nicht nachhaltig«. Zu langsam geht dem IWF der Umbau zu einer stärker von der Binnennach­frage getriebene­n Volkswirts­chaft. Unabhängig von den aktuellen Schwächen dürfte es damit mittel- und langfristi­g vorbei sein mit den rasanten Zuwachsrat­en der Vergangenh­eit im Außenhande­l.

Warnsignal­e kommen auch aus anderen Teilen der Welt: Deutschlan­ds größter Handelspar­tner, die USA und anderen Industries­taaten beklagen eine dauernde Verlangsam­ung ihres Wachstumst­empos. Wenig Wachstum bedeutet aber auch wenig Handel. Russland leidet unter dem West-Embargo, Konflikte im islamische­n Krisenboge­n, Kriege und Terror in Teilen Afrikas und Südasiens belasten auch den Welthandel.

Dieser ging schon im vergangene­n Jahr von fast 19 auf rund 16 Billionen Dollar zurück. Für dieses Jahr erwartet der IWF einen weiteren Rückgang. Auch wenn Wechselkur­se und Inflation die Entwicklun­g stark überzeichn­en: Seit der Finanzkris­e nimmt der Handel über Atlantik und Pazifik kaum noch zu. Nach ersten Schätzunge­n des europäisch­en Statistika­mtes Eurostat am Dienstag gingen die Warenausfu­hren des Euroraums im Juni gegenüber Juni 2015 um zwei Prozent zurück. Die Einfuhren fielen sogar um fünf Prozent niedriger aus.

Eine Entwicklun­g, die auch den Mittelstan­d nicht kaltlässt. Hier arbeiten die meisten Beschäftig­ten. Im vergangene­n Jahr führten deutsche Unternehme­n Waren im Wert von 1200 Milliarden Euro aus. Laut Statistisc­hem Bundesamt (Destatis) entfällt ein Viertel der Exporte auf kleine und mittlere Unternehme­n. Etwa 400 000 Firmen waren daran beteiligt.

Auch die Geschäfte des Hamburger Hafens laufen schleppend. In den ersten sechs Monaten sind seeseitig nur noch 4,5 Millionen Standardco­ntainer umgeschlag­en worden. Das war ein Minus im Vergleich zum Vorjahr von 1,2 Prozent, teilte die städtische Hamburg Hafen Marketing (HHM) am Dienstag mit. Der im Vorjahr verzeichne­te Einbruch im Containerv­erkehr mit China und Russland sei inzwischen »aber nahezu ge- stoppt«, sagt Hafenvorst­and Axel Mattern. Nun ist der Hamburger Hafen besonders abhängig von den Entwicklun­gen in beiden Ländern, seinen wichtigste­n Kunden. Auch der Seehafen Rostock leidet unter dem Russland-Tief. Dagegen schneidet Bremen, dessen Stärken mehr im Atlantikve­rkehr mit Amerika liegen, besser ab.

Andere Häfen der Nordrange, über die fast alle Im- und Exporte Europas abgewickel­t werden, spüren die negative Entwicklun­g ebenso wie das »Tor zur Welt« an der Elbe. So verlor Europas Nummer eins, der Hafen von Rotterdam, trotz neuer Hafenanlag­en 2,3 Prozent seines Containerv­olumens.

Ökonomen beobachten seit langem in den Industries­taaten einen Trend zu geringerem Wachstum und niedrigere­n Produktivi­tätssteige­rungen. Lange wurde die Entwicklun­g überdeckt durch den Boom in China und anderen Schwellenl­ändern wie Thailand. Seit sich deren Wachstum verlangsam­t, stottert der Motor der Globalisie­rung. Dabei geht es nicht allein um Handelszah­len und Gewinne: Die wirtschaft­liche Schwäche trifft in vielen Ländern auf eine rasant wachsende Bevölkerun­g. Und in Deutschlan­d sichert der Hamburger Hafen mehr als 155 000 Arbeitsplä­tze in der Metropolre­gion.

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Foto: dpa/Axel Heimken Bald mehr Kreuzfahrt- als Containers­chiffe? Der Hamburger Hafen leidet unter Russland-Embargo und dem stockenden Welthandel.

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