Schlagfertig gegen Rechts
Das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus hat mit seinen Trainings gegen AfD-Parolen begonnen
Konsequent auf rechte Sprüche zu reagieren, ist nicht leicht. Ein bundesweites Programm schult nun Argumentation und Schlagfertigkeit. Derzeit trainieren vor allem Trainer. Weiter geht es im Schneeballprinzip.
Ein Stuhlkreis, eine Flipchart in der Ecke, der Platz in dem Erdgeschossraum in Neukölln reicht nur knapp. Alex Reich stapelt noch ein paar Tische aufeinander, rückt seine Schiebermütze zurecht und schaut zufrieden durch den Raum. Er, von Beruf Gastronom, aktiv in verschiedenen sozialen Bewegungen, wird heute im Bezirksbüro der LINKEN in Berlin Neukölln Stammtischkämpfer_innen ausbilden. Zusammen mit Herbert Schmidt, der lange das Bildungszentrum von ver.di am Wannsee leitete. Schmidt rückt noch den Beamer zurecht als kurz vor elf Uhr die ersten Teilnehmerinnen eintrudeln – Ronda Kipka und Max Manzey vom Linke.SDS. Um kurz nach elf sitzen schließlich vierzehn Interessierte, etwa die Hälfte mit Anbindung an die Linkspartei, einige Gewerkschafter und ein paar mehr oder wenig zufällig Dazugestoßene sich im Kreis gegenüber.
Die Stammtischkämpfer_innenAusbildung ist eine Initiative des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus«, das sich vor allem gegen die AfD wendet und momentan eine große Demonstration für Anfang September in Berlin organisiert.
Jeder kennt die Situation. Am Nebentisch in der Kneipe, in der U-Bahn oder bei der Arbeit: Irgendjemand äußert sich abfällig über Ausländer, Flüchtlinge oder Frauen, manchmal ist man selbst betroffen von aggressivem Verhalten oder Angriffen. Es fallen Begriffe wie Flüchtlingsschwemme, Burkaverbot, Grenzenschließen, Überfremdung. Nun sein Herz in die Hand zu nehmen und einzugreifen ist nicht jedermanns Sache. Noch schwieriger ist es oft, die richtigen Argumente zu finden. Hier will die Initiative ansetzen.
»Wir müssen immer unterscheiden, ob sich das Intervenieren lohnt und man noch diskutieren kann«, sagt Herbert Schmidt. Er unterscheidet hier drei Optionen: Bei Zielpersonen, die so »betrunken sind, dass sie nicht mehr stehen können« oder auch bei gefestigten rechten Funktionären, habe Argumentieren meist keinen Sinn mehr. Das Beste sei dann, die Konfrontation zu beenden. Die beiden anderen Möglichkeiten, sich zu positionieren beziehungsweise in eine tiefergehende Diskussion einzusteigen hängen allerdings sehr von der Situation ab und davon, wen man jeweils vor sich habe, so Schmidt.
Von den Anwesenden haben die meisten erlebt, wie es sich anfühlt, wenn man rechten Äußerungen be- gegnet, darauf aber aus dem einen oder anderen Grund nicht reagieren kann. So beispielsweise beim Gespräch mit Arbeitskollegen in der Frühstückspause oder an einem Nachbartisch in der Kneipe, wenn ausländerfeindliche Bemerkungen fallen. Ronda Kipka berichtet jedoch von einer Situation, in der sie sich tatsächlich eingemischt hat. Ein Fahrgast in der Tram nahm das Erscheinen eines Straßenzeitungsverkäufers zum Anlass sich lautstark darüber auszulassen, dass viele Deutsche obdachlos seien und Flüchtlingen alles hinterhergeschmissen würde. »Der hat sich ziemlich aufgeregt, ich habe gesagt, er solle mal runterkommen.« Der Mann sei dann an der nächsten Station ausgestiegen. »Als ich in die Runde schaute, haben mir viele Fahrgäste wohlmeinend zugenickt.« Eine gute Erfahrung für Kipka.
Nach einer Präsentation über mögliche Argumentationsstrategien gegen rechte Äußerungen bereitet Alex Reich die Methode des Forumtheaters vor. Dabei werden von den Teilnehmer_innen erlebte Situationen nachgespielt und Handlungsal- ternativen geprobt. Eine Teilnehmerin erinnert sich: »Ich machte ein freiwilliges soziales Jahr in einem Betrieb. In der Pause fielen immer wieder abwertende Äußerungen über Flüchtlinge und Muslime. Vor allem erinnere ich mich an die vehemente Forderung nach einem Burkaverbot. Irgendwie schaffte ich es nicht, dagegen zu argumentieren, ich war ja ganz neu.«
Mehrmals spielt die Gruppe die Szene durch. Die Zuschauenden dürfen sich durch Klatschen an die Stelle einer der spielenden Personen begeben. Ronda Kipka klatscht, setzt sich an die Stelle der FSJlerin. Sie zieht sich ein Halstuch über den Kopf und vors Gesicht. »Was würdest du sagen, wenn ich so rumlaufen würde? Warum ist das schlimm?«, fragt sie spitz.
Die Gruppe der Kollegen ist irritiert. »Du bist so schön, warum willst du dich verschleiern?«, fragt einer noch. Ronda: »Das kannst du doch nicht entscheiden, ich bin ja nicht für dich schön!«. Das saß. Die Mitspieler in den Rollen der rechten Kollegen sind baff, die Umstehenden klatschen – Irritation gelungen.
»Ich hätte noch viel länger solche Übungen machen können«, sagt Max Manzey. Ronda nickt. Hans Treiber, angereister Gewerkschafter aus Nürnberg betont: »Obwohl ich ein alter Kämpfer im Antifaschismus bin, habe ich hier noch viel gelernt.«