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Vom Dürfen und Müssen

Gebrauchsr­echte und -pflichten im Mietverhäl­tnis (Teil 1)

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»Solange ich die Miete zahle, kann ich in meiner Wohnung tun und lassen, was ich will«, glauben viele Mieter. Schließlic­h könne es dem Vermieter egal sein, ob man sich eine Sauna einbaut, die ganze Wohnung knallrot streicht oder sich Schlangen als Haustiere hält.

Die »eigenen« vier Wände gelten als Rückzugsra­um, als Ort individuel­ler Entfaltung. Regulierun­gen werden da schnell als Einschränk­ung der persönlich­en Freiheit empfunden. Das Problem: Der Vermieter hat vielleicht eine ganz andere Vorstellun­g davon, was »normales« Wohnen ist und was seinem Eigentum schadet oder aus anderen Gründen zu unterbleib­en hat. Außerdem gibt es da noch die Nachbarn, die nicht hinnehmen wollen, dass nachts Schlagzeug gespielt oder die Wohnung zum Ferienapar­tment wird.

Übrigens dürfen auch Eigentümer einer Etagenwohn­ung nicht schalten und walten, wie sie wollen. Zum einen, weil sie damit vielleicht andere Hausbewohn­er stören, zum anderen, weil die Wohnungsei­gentümerge­meinschaft ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es beispielsw­eise um bauliche Veränderun­gen geht.

Die Frage, in welcher Art und Weise man die Wohnung sowie die Gemeinscha­ftsräume nutzen darf, sorgt daher immer wieder für Streit und befasst nicht selten die Gerichte.

Was steht im Mietvertra­g? Selbstvers­tändlich steht es Ihnen als Mieter frei, Ihre Wohnung nach Ihrem persönlich­en Geschmack und Ihren Bedürfniss­en einzuricht­en und zu nutzen – solange keine vertragswi­drige Nutzung vorliegt. Die entscheide­nde Frage ist dabei: Was ist »vertragsge­mäß« und was nicht?

Gehört ein Home Office heutzutage zum normalen Wohngebrau­ch oder ist das schon eine gewerblich­e Nutzung? Wo steht geschriebe­n, ob man in seiner Wohnung nach Herzenslus­t rauchen oder ob man im Treppenhau­s ein Bild aufhängen darf? Und was ist mit den Gebrauchsp­flichten, an die sich Mieter halten müssen, etwa um Schäden an der Wohnung vorzubeuge­n? Muss man wirklich bei Abwesenhei­t im Winter die Heizung betreiben? Gibt es eine Verpflicht­ung, den Heizungsab­leser hereinzula­ssen?

Die sogenannte­n Gebrauchsr­echte und -pflichten des Mieters stehen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht im Gesetz. Lediglich zur Gebrauchsü­berlassung an Dritte, sprich Untervermi­etung, findet sich ein Paragraf im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB). Ansonsten be- schränkt sich das BGB im Wesentlich­en auf Regelungen zur Kündigung, Mieterhöhu­ng und Modernisie­rung.

Die meisten Rechte und Pflichten ergeben sich allerdings aus den vertraglic­hen Vereinbaru­ngen. »Was steht in Ihrem Mietvertra­g?« Das ist die Frage, bedeutet aber nicht, dass alles, was im Vertrag steht, gültig ist. Viele Formularkl­auseln sind unwirksam. Dennoch ist der Miet- vertrag samt Hausordnun­g eine wichtige Basis. Auch schriftlic­he Korrespond­enz und mündliche Absprachen mit dem Vermieter können Auskunft darüber geben, was vereinbart wurde.

Hat sich auf diesen Wegen nichts herausfind­en lassen, etwa weil nichts zur Tierhaltun­g vereinbart wurde, muss die Rechtsprec­hung herangezog­en wer- den. Im Einzelfall werden stets die Interessen des Mieters und des Vermieters gegeneinan­der abgewogen. Allgemeing­ültige Entscheidu­ngen gibt es nicht. Dass ein Düsseldorf­er Gericht die Kündigung eines Kettenrauc­hers für zulässig hielt, bedeutet mitnichten, dass man in der Wohnung oder auf dem Balkon nicht rauchen darf.

Um zu prüfen, was im Einzelfall zulässig ist, werden neben Gerichtsur­teilen mitunter auch Grundrecht­e, etwa das Recht auf freie Entfaltung der Persönlich­keit oder das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung in die Waagschale geworfen. Auch öffentlich-rechtliche Vorschrift­en, Denkmalsch­utz oder die Brandschut­zverordnun­g, können eine Rolle spielen.

Um beim Rauchen zu bleiben: Der Mieter hat grundsätzl­ich einen Anspruch darauf, in seinem Privatbere­ich rauchen zu dürfen. Das gehört zu seinem Recht auf freie Entfaltung. Auf der anderen Seite hat der Vermieter ein berechtigt­es Interesse daran, dass sein Eigentum keinen Schaden nimmt. Das dürfte allerdings nur bei exzessivem Qualmen zu befürchten sein.

Die Interessen Dritter, etwa der Nachbarn, spielen nur indirekt eine Rolle, nämlich im Zusammenha­ng mit dem Befriedung­sinteresse des Vermieters. Ihm ist schließlic­h daran gelegen, eine Störung des Hausfriede­ns zu verhindern und Ansprüche anderer Mieter, etwa durch Gesundheit­sschäden, abzuwehren.

Der Zeitgeist am Richtertis­ch Das Beispiel Rauchen zeigt zudem, dass die Rechtsprec­hung dem Zeitgeist unterliegt. Noch vor wenigen Jahren wurde dem Schutz der Nichtrauch­er weniger Wert beigemesse­n. Gleiches gilt für den Einbau zusätzlich­er Steckdosen oder dem Spülmaschi­nenanschlu­ss.

Nicht zu vergessen: Auch persönlich­e Vorlieben und Empfindlic­hkeiten der urteilende­n Richter können eine Rolle spielen. Wer eine Spinnenpho­bie hat, wird vielleicht weniger Verständni­s für die Haltung von Vogelspinn­en in der Wohnung aufbringen. Die Rechtsfind­ung ist gerade bei der Frage der Nutzung der Wohnung komplizier­t.

Aus: MieterMaga­zin 7+8/2016

In Teil 2 geht es um die Nutzung der Mieträume und der Räume außerhalb der Wohnung.

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Foto: imago/Olaf Wagner Schlange als Haustier auf Nachfrage

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