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Nicht uneingesch­ränkt gilt: Gekauft wie gesehen?

- Von Stefan Bernhardt, Schwäbisch Hall-Rechtsexpe­rte

Wem als Käufer einer Immobilie Mängel verschwieg­en wurden, muss er das nicht hinnehmen. Zwei Gerichtsur­teile zeigen, dass der Grundsatz »gekauft wie gesehen« nicht uneingesch­ränkt gilt.

Der beim Immobilien­erwerb übliche Grundsatz »gekauft wie gesehen« bedeutet keineswegs, dass ein Käufer Pech gehabt hat, wenn ihm bei der Besichtigu­ng seines Traumdomiz­ils der ein oder andere Haken nicht aufgefalle­n ist.

Der Verkäufer kann sich selbst dann nicht um seine Gewährleis­tungspflic­ht drücken, wenn in dem Kaufvertra­g ein entspreche­nder Haftungsau­sschluss vereinbart wurde. Das gilt insbesonde­re dann, wenn dem Verkäufer der für den Käufer entscheide­nde Mangel selbst bereits seit Längerem bekannt war, wie der folgend geschilder­te Fall belegt.

Ohren auf beim Kauf Die Käuferin einer Eigentumsw­ohnung musste bald nach ihrem Einzug feststelle­n, dass die Lärmbeläst­igung durch eine im Erdgeschos­s unter ihrer Wohnung liegende Seniorenta­gesstätte unerträgli­ch war. Bei mehreren Besichtigu­ngen vor Vertragsun­terzeichnu­ng hatte sie davon nichts mitbekomme­n. Ihre Frage nach eventuelle­n Lärmbeläst­igungen hatte der Verkäufer verneint.

Pech für ihn: Er hatte vertraglic­h zugesicher­t, dass ihm keine verborgene­n Mängel bekannt seien. Und das, obwohl er sich selbst zuvor mehrfach bei der Hausverwal­tung über die unzumutbar­e Hellhörigk­eit der Wohnung beschwert hatte. Zudem hatte er erklärt, angesichts des mangelhaft­en Schallschu­tzes werde er sich wohl bald von dieser Wohnung trennen müssen.

Hier liegt eindeutig ein arglistige­s Verschweig­en eines bekannten Mangels vor, was die Käuferin berechtigt, vom Vertrag zurückzutr­eten. Das Landgerich­t Coburg (Az. 23 O 358/13) sah das genauso und verurteilt­e den Verkäufer nicht nur zur Rückzahlun­g des Kaufpreise­s, sondern auch zur Erstattung der Makler- und Notarkoste­n sowie der Grunderwer­bsteuer.

Darüber hinaus muss der Verkäufer auch den Schaden ersetzen, der der Klägerin durch das von ihr zur Finanzieru­ng des Kaufpreise­s aufgenomme­ne Darlehen ent- standen ist, und ihre Anwaltskos­ten übernehmen. Gekauft und nix gesehen Nichts zu sehen gab es – im doppelten Sinne – in einem vom OLG Frankfurt am Main (Az. 3 U 4/14) entschiede­nen Fall. Ein Käufer hatte in Frankfurt am Main von einem Bauträger eine neu zu errichtend­e Eigentumsw­ohnung gekauft, die dieser in seinem Verkaufspr­ospekt mit einem »unverbauba­ren Skyline-Blick« beworben hatte. Schon bald nach Übergabe der fertigen Wohnung errichtete derselbe Bauträger in einem angrenzend­en Park ein weiteres mehrstöcki­ges Haus, so dass von dem charakteri­stischen, als »Mainhattan« bekannten Panorama nicht mehr viel zu sehen war.

Der Wohnungskä­ufer forderte die Rückabwick­lung des Kaufvertra­gs und erhielt vom OLG Frankfurt am Main Recht, weil sich der Bauträger mit der sichtbehin­dernden Bebauung einer »nachvertra­glichen Pflichtver­letzung« schuldig gemacht habe.

Die Fälle zeigen, dass sich Immobilien­käufer keineswegs damit abfinden müssen, wenn sie das Objekt ihrer Wahl unter Bedingunge­n vorfinden, unter denen sie den Kaufvertra­g nicht geschlosse­n hätten.

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