Wenn Fluggäste auf der Strecke bleiben ...
Für abgesagte Flüge, für große Verspätungen oder überbuchte Flieger steht Reisenden Geld von der Airline zu. Aber der Anspruch steht oft nur auf dem Papier. Dabei haben Passagiere nach EURichtlinien Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich.
Wann haben Reisende Anspruch auf eine Ausgleichszahlung? In aller Regel dann, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Das regelt eine EU-Verordnung von 2004. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung bekommt der Passagier 250, 400 oder 600 Euro – allerdings nicht automatisch. Er muss das Geld zu- nächst von der Fluggesellschaft einfordern. »Wenn keine Antwort kommt, hat man weitere Möglichkeiten«, erläutert die Reiseexpertin Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Diesen Weg müssen verärgerte Fluggäste offensichtlich immer häufiger gehen? Ja, das zeigen schon die stark gestiegenen Fallzahlen der zuständigen Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP). An sie können sich Flugreisende seit November 2013 kostenlos wenden, wenn der Anbieter nicht zahlt. Beschwerden zu Flügen machen dort inzwischen etwa drei Viertel aller Fälle aus. Im vergangenen Jahr registrierte die SÖP rund 8700 Beschwerden nur aus dem Luftverkehr, am häufigsten wegen Verspätungen. Mit den 41 Airlines, die sich an dem Verfahren beteiligen, bemüht sich die Schlichtungsstelle um eine außergerichtliche Einigung – in etwa neun von zehn Fällen mit Erfolg.
Wie können Passagiere sonst zu ihrem Recht kommen? Ohne fremde Hilfe nur schwer. »Wenn die Airline schreibt: Nein, Sie haben leider keinen Anspruch, kann der Fluggast alleine ja nicht nachprüfen, ob das nur eine strategische Ausrede ist, so die Erfahrungen von Julia Roitsch von Flightright. Das Potsdamer Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Fluggastrechte für Kunden gegen Provision durchzusetzen. Besonders oft klagt Flightright nach eigenen Angaben gegen Billigairlines wie Ryanair und Easyjet. Bei Erfolg wird ein Viertel der Entschädigung fällig. Verbrau- cherschützerin Jungbluth berichtet, dass neuerdings Anbieter gegen Gebühr sogar in Vorleistung treten und ganze Forderungen übernehmen, um diese selbst einzuklagen.
Warum gibt es überhaupt so oft Streit? Für die Fluggesellschaften geht es um viel Geld. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit rund 132 Millionen Euro. Auf EUEbene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen – gegen den Widerstand von Verbraucherschützern: »Das würde bedeuten, dass weniger als ein Prozent der Verspätungen noch zu Ansprüchen führen« kritisiert Jungbluth. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.
Wer hat im oben geschilderten und vom Bundesgerichtshof an den EuGH verwiesenen Fall die besseren Chancen? Ähnliche Fälle haben Europäischer Gerichtshof und Bundesgerichtshof im Sinne der Kunden entschieden – maßgeblich sei, dass es am eigentlichen Ziel mehr als drei Stunden Verspätung gibt. In dem Streit war aber nur der erste Flug von Tuifly, den zweiten hatte der Reiseveranstalter bei einer anderen Airline gebucht. Muss Tuifly trotzdem zahlen? Das haben nun die Luxemburger Richter zu klären. Prinzipiell kein Geld gibt es, wenn Probleme auf »außergewöhnliche Umstände« zurückgehen, die die Airline nicht beeinflussen kann. So sah der BGH etwa keinen Anspruch bei Ausfällen oder Verspätungen, die von Streiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeerlaubnis verursacht waren. dpa/nd