Frankreichs Burkini-Streit
Eine Provokation gegen die Werte der Republik? Auch Premier Valls will Burkinis an Frankreichs Stränden verbieten.
Im Streit um GanzkörperSchwimmanzüge für Musliminnen lehnt der französische Premierminister Manuel Valls eine nationale Gesetzgebung ab. Die Polemik um den Burkini, von der man anfangs annahm, dass sie von den Medien in der nachrichtenarmen Sommerzeit künstlich hochgespielt wird, hat es inzwischen bis an die Spitze der Regierung geschafft. Premierminister Manuel Valls erklärt in einem am Mittwoch erschienenen Zeitungsinterview, er »verstehe und unterstütze« die Bürgermeister, die »in diesen Zeiten der Spannungen« für den Strand ihrer Gemeinde eine Badebekleidung, die den ganzen Körper der Frau außer Gesicht, Füße und Hände bedeckt, verbieten. Eine solche Verhüllung der Frauen sei »unvereinbar mit den Werten der Fran- zösischen Republik«. Daher sei ein Verbot legitim, wenn es mit dem Ziel erlassen wird, zum besseren Zusammenleben aller Menschen im Lande beizutragen – und wenn damit »keine politischen Hintergedanken« verbunden sind.
»Die Strände wie alle öffentlichen Plätze müssen freigehalten werden von religiöser Ansprüchen«, betont Valls. »Der Burkini ist mehr als eine neue modische Badebekleidung. Er ist Ausdruck des Projekts einer politischen Gegen-Gesellschaft, zu deren Grundlagen nicht zuletzt die Versklavung der Frau gehört.« Der Premierminister sieht jedoch keine Notwendigkeit für ein weiteres Gesetz. Zunächst sollte das Gesetz über das Verbot von Ganzkörperschleiern in der Öffentlichkeit konsequent durchgesetzt werden. »Doch auch die islamischen Autoritäten sollten den Ganz- körperschleier verurteilen, zumal es sich um Akte der Provokation handelt, die Bedingungen für eine Konfrontation heraufbeschwören sollen.« Dagegen müsse sich der Staat schützen, unterstrich der Regierungschef, der in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass in den vergangenen Monaten 82 ausländische Imame, die in ihren Moscheen Hass gepredigt haben, des Landes verwiesen wurden.
Der Premier mahnt zu »Ruhe und Vernunft« und ruft die französischen Muslime auf, in ihren Familien und in ihrem beruflichen und sozialen Engagement zum Ausdruck zu bringen, dass sie diese überlebte Vision des Islam nicht mittragen. »Mit denen, die das republikanische Modell in Frage stellen, kann und wird es keinen Kompromiss geben, und wer zur Verletzung unserer Werte aufruft, wird konsequent verfolgt«, warnt Valls.
Von Cannes und anderen Badeorten an der Côte d'Azur bis Le Touqet an der nordwestfranzösischen Kanalküste haben bereits rund ein Dutzend Städte und Gemeinden Burkini-Verbote erlassen – die meisten vorbeugend, da dort bislang noch nie eine solche Badebekleidung gesehen wurde. In Cannes, wo der zur rechtsbürgerlichen Oppositionspartei der Republikaner gehörende Bürgermeister David Lisnard im Juli als erster ein Burkini-Verbot durchsetzte, wurden in dieser Woche drei Frauen, die dagegen verstoßen haben und sich uneinsichtig zeigten, mit Geldstrafen von jeweils 38 Euro belegt.
Vergangenes Wochenende kam es in Korsika wegen Differenzen um das Baden im Burkini zu Zusammenstößen zwischen jungen Korsen und den Bewohnern einer Sozialwohnsiedlung, in der fast nur muslimische Familien leben. Dabei konnten nur durch das Eingreifen der Polizei Opfer vermieden werden. In Nizza hat sich die Organisation gegen Islamophobie (CCIF – Collectif contre l’islamophobie en France) wegen des Burkini-Verbots von Cannes an das Verwaltungsgericht gewandt. Das hat die Klage jedoch abgewiesen und das Verbot für rechtens erklärt. Nun will sich die Organisation an den Pariser Staatsrat, das Oberste Verwaltungsgericht des Landes, wenden.
»Die Republik muss sich gegen Provokationen verteidigen.« Frankreichs Premier Manuel Valls