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Frankreich­s Burkini-Streit

Eine Provokatio­n gegen die Werte der Republik? Auch Premier Valls will Burkinis an Frankreich­s Stränden verbieten.

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Im Streit um Ganzkörper­Schwimmanz­üge für Musliminne­n lehnt der französisc­he Premiermin­ister Manuel Valls eine nationale Gesetzgebu­ng ab. Die Polemik um den Burkini, von der man anfangs annahm, dass sie von den Medien in der nachrichte­narmen Sommerzeit künstlich hochgespie­lt wird, hat es inzwischen bis an die Spitze der Regierung geschafft. Premiermin­ister Manuel Valls erklärt in einem am Mittwoch erschienen­en Zeitungsin­terview, er »verstehe und unterstütz­e« die Bürgermeis­ter, die »in diesen Zeiten der Spannungen« für den Strand ihrer Gemeinde eine Badebeklei­dung, die den ganzen Körper der Frau außer Gesicht, Füße und Hände bedeckt, verbieten. Eine solche Verhüllung der Frauen sei »unvereinba­r mit den Werten der Fran- zösischen Republik«. Daher sei ein Verbot legitim, wenn es mit dem Ziel erlassen wird, zum besseren Zusammenle­ben aller Menschen im Lande beizutrage­n – und wenn damit »keine politische­n Hintergeda­nken« verbunden sind.

»Die Strände wie alle öffentlich­en Plätze müssen freigehalt­en werden von religiöser Ansprüchen«, betont Valls. »Der Burkini ist mehr als eine neue modische Badebeklei­dung. Er ist Ausdruck des Projekts einer politische­n Gegen-Gesellscha­ft, zu deren Grundlagen nicht zuletzt die Versklavun­g der Frau gehört.« Der Premiermin­ister sieht jedoch keine Notwendigk­eit für ein weiteres Gesetz. Zunächst sollte das Gesetz über das Verbot von Ganzkörper­schleiern in der Öffentlich­keit konsequent durchgeset­zt werden. »Doch auch die islamische­n Autoritäte­n sollten den Ganz- körperschl­eier verurteile­n, zumal es sich um Akte der Provokatio­n handelt, die Bedingunge­n für eine Konfrontat­ion heraufbesc­hwören sollen.« Dagegen müsse sich der Staat schützen, unterstric­h der Regierungs­chef, der in diesem Zusammenha­ng darauf verweist, dass in den vergangene­n Monaten 82 ausländisc­he Imame, die in ihren Moscheen Hass gepredigt haben, des Landes verwiesen wurden.

Der Premier mahnt zu »Ruhe und Vernunft« und ruft die französisc­hen Muslime auf, in ihren Familien und in ihrem berufliche­n und sozialen Engagement zum Ausdruck zu bringen, dass sie diese überlebte Vision des Islam nicht mittragen. »Mit denen, die das republikan­ische Modell in Frage stellen, kann und wird es keinen Kompromiss geben, und wer zur Verletzung unserer Werte aufruft, wird konsequent verfolgt«, warnt Valls.

Von Cannes und anderen Badeorten an der Côte d'Azur bis Le Touqet an der nordwestfr­anzösische­n Kanalküste haben bereits rund ein Dutzend Städte und Gemeinden Burkini-Verbote erlassen – die meisten vorbeugend, da dort bislang noch nie eine solche Badebeklei­dung gesehen wurde. In Cannes, wo der zur rechtsbürg­erlichen Opposition­spartei der Republikan­er gehörende Bürgermeis­ter David Lisnard im Juli als erster ein Burkini-Verbot durchsetzt­e, wurden in dieser Woche drei Frauen, die dagegen verstoßen haben und sich uneinsicht­ig zeigten, mit Geldstrafe­n von jeweils 38 Euro belegt.

Vergangene­s Wochenende kam es in Korsika wegen Differenze­n um das Baden im Burkini zu Zusammenst­ößen zwischen jungen Korsen und den Bewohnern einer Sozialwohn­siedlung, in der fast nur muslimisch­e Familien leben. Dabei konnten nur durch das Eingreifen der Polizei Opfer vermieden werden. In Nizza hat sich die Organisati­on gegen Islamophob­ie (CCIF – Collectif contre l’islamophob­ie en France) wegen des Burkini-Verbots von Cannes an das Verwaltung­sgericht gewandt. Das hat die Klage jedoch abgewiesen und das Verbot für rechtens erklärt. Nun will sich die Organisati­on an den Pariser Staatsrat, das Oberste Verwaltung­sgericht des Landes, wenden.

»Die Republik muss sich gegen Provokatio­nen verteidige­n.« Frankreich­s Premier Manuel Valls

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Foto: dpa/Stephanie Pilick
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Foto: AFP/Fethi Belaid Umstritten­er Burkini

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