Australien muss ein Lager schließen
Canberra reagiert auf Gerichtsurteil zu Flüchtlingen in Papua-Neuguinea
Sydney. Australien hat sich zur Schließung eines umstrittenen Flüchtlingslagers auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus bereit erklärt. Der Regierungschef von Papua-Neuguinea, Peter O'Neill, teilte am Mittwoch nach Gesprächen mit dem australischen Einwanderungsminister Peter Dutton in Port Moresby mit, der Prozess solle »nicht überstürzt« werden, sondern »umsichtig« vor sich gehen. Dutton hob hervor, dass Australien dennoch an seiner Asylpolitik festhalte.
Die australische Regierung steht wegen ihrer restriktiven Asylpolitik seit Langem in der Kritik. Die bisherige Regelung sieht vor, dass Asylsuchende, die versuchen, Australien mit dem Boot zu erreichen, an ihren Herkunftsort oder nach Manus sowie in den Pazifikinselstaat Nauru gebracht werden. Das Oberste Gericht von Papua-Neuguinea hatte die Internierung von Bootsflüchtlingen aus Australien auf der Insel Manus für unzulässig erklärt. Die Lagerhaft verstoße gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit und sei deshalb verfassungswidrig.
Über hundert ehemalige Mitarbeiter des australischen Flüchtlingslagers auf Nauru fordern dessen Schließung. Geheime Dokumente hatten massive Menschenrechtsverletzungen enthüllt. In Sachen Manus bewegt sich Australiens Regierung, in Sachen Nauru hält sie sich weiter bedeckt. Canberra hat sich zur Schließung des umstrittenen Flüchtlingslagers auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus bereit erklärt. Einwanderungsminister Peter Dutton hob hervor, dass Australien dennoch an seiner Asylpolitik festhalte. Die ist kompromisslos: Seit 15 Jahren schiebt Australien Bootsflüchtlinge in benachbarte Inselstaaten ab – einerlei ob gerade die Sozialdemokraten von der Laborpartei oder wie derzeit die konservativen Liberalen an den Schalthebeln sitzen.
Um den Zustand der Menschen im Flüchtlingslager auf Nauru weiß die australische Regierung seit mindestens einer Woche. Dokumente, die dem »Guardian« zugespielt wurden, belegen den systematischen Missbrauch und die Qualen, denen die Menschen in dem Lager auf der Pazifikinsel ausgesetzt sind.
Weltweit berichteten Medien über den Skandal. Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte forderte ein Ende der abgeschotteten Lager: Trotzdem handelten bisher weder die australische Regierung noch die in Nauru. Der australische Regierungschef Malcolm Turnbull versprach anfänglich noch, die Vorfälle zu untersuchen, doch Einwanderungsminister Peter Dutton machte wenig später öffentlich deutlich, dass er die Flüchtlinge nicht nach Australien holen will. Die Berichte seien nicht neu, sie seien aufgebauscht worden, sagte der Minister. Er will an der Politik Australiens festhalten, Flüchtlingen, die per Boot ankommen, jedwedes Asylrecht im Land zu verweigern. »Einige Leute sind so weit gegangen, sich selbst zu verletzen und sich selbst anzuzünden, und einige haben mit Sicherheit falsche Anschuldigungen gemacht, um nach Australien kommen zu können«, sagte er. Erst im Mai zündeten sich zwei Asylsuchende in Nauru aus Protest selbst an. Einer der Flüchtlinge starb, eine Frau wird noch immer im Krankenhaus behandelt.
Einzig die sozialdemokratische Opposition will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss bilden, um dem Skandal auf den Grund zu gehen. Doch über 100 aktuellen und früheren Mitarbeitern in den Lagern ist dies nicht genug. Sie forderten in einem offenen Brief nun die Schließung der Lager und den Transfer der Flüchtlinge nach Australien. Aktuell sollen 442 Menschen, darunter 49 Kinder, in dem Lager auf Nauru festgehalten werden, weitere 854 Männer sind im Lager auf der Insel Manus. Etliche von ihnen werden bereits seit mehreren Jahren festgehalten.
Alle der Mitarbeiter, darunter Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter und Sachbearbeiter, unterschrieben die Petition mit ihrem Namen, obwohl sie aufgrund der verschärften Ge- setzeslage in Australien – dem bisher nicht zum Einsatz gekommenen Border Force Act – dadurch strafrechtlich verfolgt werden könnten. Charlotte Wilson, die auf Nauru und Manus Island gearbeitet hatte, schrieb, dass die Dokumente zwar den Missbrauch auf Nauru schilderten, diese Situation aber genauso auf Manus Island zutreffe. »Wir müssen diese Menschen nach Australien bringen und den Prozess starten, ihre Leben wieder aufzubauen«, sagte Shivani Keecha von der Nichtregierungsorganisation Save the Children, die in Naura arbeitete.
Vor allem Kinder sind laut der Dokumente über Nauru häufig die Leidtragenden. Über die Hälfte der insgesamt 2116 Berichte, die den Zeitraum von Mai 2013 bis Oktober 2015 abdecken, dokumentierten Vorfälle mit Kindern. Darunter waren sieben Fälle sexuellen Missbrauchs, 59 Übergriffe auf Kinder und 30 Vorfälle, wo sich Kinder selbst verletzt hatten.
Einer der Berichte dokumentierte, wie ein Wärter einen Jungen packte und ihm drohte, ihn zu töten, sobald er außerhalb des Lagers leben werde. Andere sprachen davon, dass die Kinder von den Wärtern geschlagen würden. Im September 2014 soll ein Mädchen aus Verzweiflung ihre Lippen zugenäht haben. Ein anderer Aufseher soll nur längere Duschzeiten erlaubt haben, wenn er den Jungen und Mädchen dabei zusehen durfte.
Auf ihre Art hat inzwischen die Regierung von Nauru reagiert: Sie beschuldigte linke Medien, grüne Abgeordnete und Flüchtlingsaktivisten, die Asylbewerber »als Pfand für ihre politische Agenda zu missbrauchen«.
»Wir müssen diese Menschen nach Australien bringen und den Prozess starten, ihre Leben wieder aufzubauen.« Shivani Keecha