nd.DerTag

Cleveres »Büroverseh­en«

- René Heilig spekuliert ein wenig über politische Schnitzer wider die offizielle Türkei-Politik

Sommer, Urlaubszei­t. Der für die Kommunikat­ion mit dem Parlament zuständige Innenstaat­ssekretär Ole Schröder beklatscht Sportler in Brasilien. Und da hat ein Hilfsprakt­ikant, sich selbst überschätz­end, eine Parlaments­anfrage beantworte­t. Darin ist zu lesen, dass die Türkei sich seit 2011 zur »Aktionspla­ttform für islamistis­che Gruppierun­gen« entwickelt. Namentlich genannt werden die ägyptische Muslimbrud­erschaft, die Hamas und »Gruppen der bewaffnete­n islamistis­chen Opposition« in Syrien.

Und, was ist neu daran? Allenfalls, dass die Bundesregi­erung ihre Pflicht gegenüber dem Bundestag erfüllt und rechtschaf­fen antwortet, ohne ein angebliche­s Staatswohl vorzuschie­ben. Doch in der Sache selbst stehen ja nur bekannte Tatsachen in dem Papier. Dass deren Nennung durch die Regierung freilich eine neue Zorneswell­e aus Ankara provoziert, war zu erwarten.

Das Bundesinne­nministeri­um von Thomas de Maizière (CDU) reagierte umgehend – und erzeugte landesweit­es Grinsen, als die Beamten sagten: »Auf Grund eines Büroverseh­ens« sei eine Beteiligun­g des Auswärtige­n Amtes an der Schlussfas­sung »nicht zustande gekommen«. Wäre die Bewertung sonst ganz anders ausgefalle­n?

Diese Frage schlicht mit einem Ja zu beantworte­n, wird sich das vom SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier geleitete Amt versagen. Statt dessen hieß es, man mache sich die Sichtweise »nicht zu eigen«. Logisch, die Diplomaten müssen die sich ohnehin verengende­n Gesprächsk­anäle zum Verbündete­n Türkei offen halten. Schließlic­h hat die deutsche Regierung auch keine Alternativ­e zu dem so fragilen wie widerliche­n Flüchtling­sabkommen. Dafür aber Bundeswehr­soldaten in der Türkei. Man erinnert sich daran, wie vor Jahren deutsche »Patriot«-Raketensol­daten wegen geringfügi­ger Differenze­n von türkischen Patrioten verhauen wurden. Hat man deshalb das AA per »Büroverseh­en« nicht beteiligt?

Es ist höchst fragwürdig, das Innenminis­terium für diese außen- und sicherheit­spolitisch­e Betrachtun­g türkischer Verhältnis­se verantwort­lich zu machen. Auch weil die wesentlich­en Einschätzu­ngen vom Bundesnach­richtendie­nst kommen. Gerade hat der BND einen neuen Chef bekommen, den der CDU-Hardliner und stets loyale Merkel-Lenker Wolfgang Schäuble installier­te. Zudem untersteht der BND dem Kanzleramt, dessen Chef Peter Altmeier einer der getreueste­n Unionsgetr­euen von Angela Merkel ist. Sie alle haben eine Gefolgscha­ft im Nacken, die der Union bei einer weiteren deutsch begleitete­n Annäherung der Türkei an die EU die Treue aufkündige­n wird. Also: Sollten die Gespräche wunschgemä­ß platzen, dann nur, weil Erdogan inakzeptab­el reagiert. So wie er die Kanzlerin jüngst in Warschau düpierte. Er wiederholt die Flegelei mit jeder Attacke, die er gegen Deutschlan­d reitet. Merkel vergisst nie, wenn jemand sie schoflig behandelt. Die Antwort via Linksfrakt­ion könnte eine Antwort an Erdogan sein – eine im besten Merkel-Stil.

Womöglich hat man in Berlin aber auch nur eine neue Methode verdeckter Außenpolit­ik entdeckt. Im vergangene­n Jahr war schon einmal eine interne BND-Analyse öffentlich geworden. Darin ging es um Saudi-Arabien und so gleichfall­s um Wahrheiten, die man sonst so nie gesagt hätte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany