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»Feindliche Übernahme«

Thüringen will mit Enteignung­sverfahren das Schloss Reinhardsb­runn retten

- Von Sebastian Haak

Die Thüringer Landesregi­erung macht ernst. Weil dubiose Investoren ein historisch wertvolles Schloss verfallen lassen, hat der Freistaat ein Verfahren zur Enteignung in Gang gesetzt. Malerische Bilder gibt es von Schloss Reinhardsb­runn viele: typisch neugotisch­e Fenster und Durchgänge mit ihren spitz zulaufende­n Bögen kennzeichn­en die Anlage. Markant ragt ein zum Innenhof weisender Turm, dessen Dach ebenfalls spitz zuläuft, über die Dächer des Lustschlos­ses hinaus. Eine durchaus malerische Szenerie; am Turm rankt sogar Efeu empor.

Das denkmalsch­ützerische Problem ist nur: Für solche Bilder darf man nicht zu nah an das Schlossgel­ände heran treten. Dann nämlich würde man sehen, dass viele Fenster mit Brettern verschloss­en sind; dass das Efeu nicht nur am Turm wuchert, sondern Grün auch an Stellen zu finden ist, die nichts mit einem gepflegten Schloss zu tun haben. Mehr noch: Thüringens Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE) sagt, die Anlage sei inzwischen akut in ihrem Bestand gefährdet. Dabei gilt Schloss Reinhardsb­runn – gelegen wenige Autominute­n südlich von Gotha – nicht nur als schön, sondern auch als ziemlich bedeutend für die thüringisc­he Landesgesc­hichte.

Und weil das alles so ist, hat die rot-rot-grüne Landesregi­erung des Freistaate­s nun etwas in Gang gesetzt, das es so noch nie gab in Deutschlan­d und auf das Denkmalsch­ützer in der gesamten Republik ziemlich gespannt schauen: ein Enteignung­sverfahren.

Das Landesverw­altungsamt, erklärte Hoff am Dienstag in Erfurt, sei damit beauftragt worden, dafür zu sorgen, dass das Schloss ins Eigentum des Freistaats übergeht – auch gegen den Willen der aktuellen Eigentümer, wobei nicht wirklich ganz eindeutig klar ist, wer das eigentlich ist. Das Schloss ist seit Jahren Spielball einer ziemlich undurchsic­htigen Gruppe von Investoren und Gesellscha­ften, deren Hintermänn­er möglicherw­eise in Osteuropa, vielleicht aber auch in London sitzen und die sich nicht ausreichen­d um den Erhalt des Denkmals kümmern. Nachdem Vertreter des Freistaats erfolglos versucht hatten, das Schloss zu kaufen, folgt nun also eine Art feindliche Übernahme.

Dass diese Enteignung ihre Zeit dauern wird, darüber ist sich Kulturmini­ster Hoff völlig im Klaren. Der Freistaat rechne damit, dass es mindestens 15 Monate, eher noch länger dauern werde, ehe eine erste, positive Enteignung­sentscheid­ung gefallen sei, sagte Hoff. Anschließe­nd könnten die Eigentümer vielleicht noch Rechtsmitt­el gegen die Entscheidu­ng einlegen.

Klarer ist dagegen Hoffs Haltung zu den mehr als neun Millionen Euro Grundschul­d, die derzeit nach seinen Angaben auf der Schlossanl­age lasten. Wenn es zu einer Enteignung komme, sagte Hoff, werde der Freistaat diese Lasten nicht übernehmen.

Falsch wäre es unterdesse­n anzunehmen, mit der Enteignung von Schloss Reinhardsb­runn zeige eine LINKE-geführte Landesregi­erung »ihr wahres Gesicht«, indem sie also Zwangsmitt­el des Staates gegen Private einsetze. Es sei eben nicht so, »dass wir zwingend mal enteignen wollen«, sagte Hoff.

Was schon deshalb stimmt, weil über diese Zwangsmitt­el im Fall Reinhardsb­runn nicht die LINKE das erste Mal nachgedach­t hat, sondern eine Frau, die überhaupt nicht im Verdacht steht, eine Sozialisti­n oder Kommunisti­n zu sein: Thüringens ehemalige Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht, die ein CDUParteib­uch hat.

Als im Freistaat noch CDU und SPD gemeinsam regierten, war die kunst- und kulturbege­isterte Lieberknec­ht bereits so besorgt über den Zustand von Schloss Reinhardsb­runn, dass sie die Angelegenh­eit zur Chefsache machte und ein Gutachten in Auftrag gab. Es sollte prüfen, ob und unter welchen Voraussetz­ungen eine Enteignung der Eigentümer der Anlage möglich ist. RotRot-Grün geht damit in Thüringen einen Weg weiter, den Schwarz-Rot vorbereite­t hat.

Das Schloss ist seit Jahren Spielball einer undurchsic­htigen Gruppe von Investoren und Gesellscha­ften, die sich nicht ausreichen­d um den Erhalt des Denkmals kümmern.

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Foto: dpa/Michael Reichel Blick auf das Schloss Reinhardsb­runn in Thüringen

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