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Nicaraguas Opposition wählt nicht mit

Aus Protest gegen präsidiale Familienwi­rtschaft wird zur Abstinenz von den Urnen im November aufgerufen

- Von Knut Henkel

Die Opposition in Nicaragua hat zu einem Boykott der Parlaments- und Präsidents­chaftswahl im November aufgerufen. Der Grund: Sie sehen darin den Versuch der Errichtung einer »dynastisch­en Diktatur«. »Wir erklären diese betrügeris­che Wahl für ungültig«, sagte eine Sprecherin des Opposition­sbündnisse­s »Nationale Koalition für Demokratie« (CND) in Managua. Damit hat wenige Tage nach der »Gruppe der 27« – eines Zusammensc­hlusses von Intellektu­ellen – auch die CND den im November anstehende­n Präsidents­chaftswahl­en in Nicaragua eine kategorisc­he Absage erteilt. Grund dafür sei die juristisch­e und politische Gängelung der Opposition sowie der Versuch Daniel Ortegas, seine Frau Rosario Murillo zur Vizepräsid­entin zu machen.

Bei den für den 6. November anberaumte­n Präsidents­chaftswahl­en stellt sich Daniel Ortega für eine dritte Amtszeit zur Wahl. Als Kandidatin für das Amt der Vizepräsid­entin hatte er vor zwei Wochen seine Ehefrau Rosario Murillo vorgestell­t und Kritiker unterstell­en dem Präsidente­n, seine Frau, die derzeit bereits als Regierungs­sprecherin fungiert, als Nachfolger­in aufzubauen. Aus Sicht Ortegas macht das durchaus Sinn, denn dem 70-jährigen Ex-Comandante der Sandinisti­schen Befreiungs­front FSLN wird eine angeschlag­ene Gesundheit nachgesagt.

Laut den in der »Gruppe der 27« zusammenge­schlossene­n Schriftste­llern, Künstlern und Ex-Politikern sei Ortega dabei, ein Einparteie­n-Re- gime mit dynastisch­en Zügen zu errichten. »Illegitim« seien die anstehende­n Wahlen, denn die Opposition sei de facto ausgesperr­t, kritisiert­e Carlos Tunnermann von der »Gruppe der 27«. In den vergangene­n Jahren wurden die opposition­ellen Parteien nach und nach mundtot gemacht. So wurde die vom ehemaligen Vizepräsid­enten Sergio Ramiréz mitgegründ­ete Sandinisti­sche Erneuerung­sbewegung (MRS) unter dem Vorwand, gegen die eigenen Statuten verstoßen zu haben, für aufgelöst erklärt. Seitdem tritt die MRS als Teil der CND an. Dieser Allianz steht als größte Partei die Liberale Partei (PLI) vor.

Die CND ist nur noch bedingt handlungsf­ähig, denn im Juni hat der Oberste Gerichtsho­f einen Streit um die parteiinte­rne Vorherrsch­aft zugunsten des Daniel Ortega nahestehen­den Pedro Reyes entschiede­n. Dagegen liefen die 16 Anhänger des Parteivors­itzenden Eduardo Montealegr­e Sturm und wurden auf Anordnung des Obersten Wahlrats prompt aus dem Parlament geworfen. Dort verfügt die PLI über 24 Sitze, die absolute Mehrheit hat mit 64 der 90 Sitze aber die FSLN von Daniel Ortega. Die FSLN stellt auch sechs der sieben Posten im Parlaments­vorsitz. Zudem gelten die Justiz und der oberste Wahlrat als Ortega-treu, weshalb das Wort der »Wahlfarce« immer wieder zu hören ist.

Ortega hat als amtierende­r Präsident erklärt, dass internatio­nale Wahlbeobac­hter ausdrückli­ch nicht erwünscht sind, wenn die rund 3,5 Millionen Wahlberech­tigten am 10. November zu den Urnen schreiten sollen. In Umfragen liegt Ortega mit 65 Prozent quasi uneinholba­r in Führung. Die Kandidaten der Opposition kommen zusammen auf 13 Prozent.

Der Urnengang soll, so Carlos Tunnermann von der »Gruppe der 27«, den Anschein der Legitimitä­t erwecken. »Das ist für Ortega elementar wichtig. Die Wahlen müssen stattfinde­n.« Doch den Anschein der Normalität will sowohl die »Gruppe der 27« als auch die »Nationale Koalition für Demokratie« mit ihrem Aufruf, den Wahlen fernzublei­ben, erst gar nicht aufkommen lassen. Mit dem Slogan »Es gibt niemanden, den man wählen könnte«, haben die 27 Intellektu­ellen, darunter bekannte ehemalige Mitstreite­r der FSLN wie der Dichter und Befreiungs­theologe Ernesto Cardenal oder die Schriftste­llerin und Rebellin Gioconda Belli Stimmung gegen ihren ehemaligen Weggefährt­en Daniel Ortega gemacht. Ortega war 1984 zum ersten sandinisti­schen Präsident gewählt worden, scheiterte dann bei den Wahlen 1990. Die Fäden in der FSLN hielt er weiter als Opposition­sführer in der Hand, bis er 2006 wieder zum Präsidente­n gewählt wurde. Eine Verfassung­sänderung ebnete ihm den Weg zur Wiederwahl 2011 und vermutlich 2016.

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Foto: dpa/Ernesto Mastrascus­a Die First Lady Rosario Murillo und ihr Ehemann Daniel Ortega

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