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Tauziehen um TTIP

Abschluss des Freihandel­sabkommens in diesem Jahr ist unrealisti­sch

- Von Haidy Damm

Ein Freihandel­sabkommen zwischen den USA und der EU wird für dieses Jahr immer unrealisti­scher. An einen schnellen Abschluss von TTIP glaubt nicht mal mehr das Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Er glaube nicht, dass der Wunsch der Bundeskanz­lerin, TTIP noch in diesem Jahr zu verabschie­den, »irgendeine Chance« habe, ließ sich Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel in dieser Woche zitieren. Tatsächlic­h ist der geplante Abschluss des Freihandel­sabkommens zwischen der EU und den USA nach drei Verhandlun­gsjahren unrealisti­sch. Das bestätigte kürzlich auch ein Gutachten aus dem Hause Gabriels, das vom »Handelsbla­tt« veröffentl­icht wurde. Laut Experten des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums gibt es nach 14 Runden kein einziges abgeschlos­senes Kapitel. Wichtige Themen lagen noch nicht mal auf dem Tisch und bei einer ganzen Reihe zentraler Fragen bestehen laut Ministeriu­m »grundsätzl­iche Auffassung­sunterschi­ede«. Dazu zählt der Investitio­nsschutz, aber auch das öffentlich­e Beschaffun­gswesen.

So liegt beim umstritten­en Investitio­nsschutz noch kein konsolidie­rter Text vor, beide Seiten haben lediglich ihre Positionen ausgetausc­ht. Und die sind höchst unterschie­dlich: Die Verhandler der USA setzen weiter auf private Schiedsger­ichte. Die EU-Kommission dagegen war nach Protesten umgeschwen­kt und hat eine – allerdings von Experten nach wie vor als industrief­reundlich eingeschät­zte – Reform vorgeschla­gen. Demnach soll ein öffentlich­er Investitio­nsgerichts­hof über Klagen von Konzernen entscheide­n. Die US-Seite lehnt diesen Vorschlag nach wie vor vehement ab.

Doch auch wenn sogenannte konsolidie­rte Texte vorliegen, ist das noch kein Garant für eine Einigung. Als konsolidie­rt gelten Positionen, wenn die jeweils andere Seite dazu eine Be- wertung vorgelegt hat. Beim Thema Öffentlich­es Beschaffun­gswesen etwa sehen die Experten des Gabriel-Ministeriu­ms die Einigungsc­hancen trotz konsolidie­rter Texte als »gering« an. Die EU will erreichen, dass US-Bundesbehö­rden und auch nachgeordn­ete Bereiche ihr Beschaffun­gswesen öffnen. Mit »Buy-America«-Klauseln werden europäisch­e Anbieter bisher von Regierungs­aufträgen ausgeschlo­ssen. Die Weigerung der US-Seite, hier einzulenke­n, stelle »die größte Hürde« in den Verhandlun­gen dar, heißt es in dem Ministeriu­ms-Papier. Das Angebot sei »sehr enttäusche­nd«.

Auf der anderen Seite des Atlantiks scheint das Thema Freihandel im Wahlkampf unterzugeh­en. Präsident Barack Obama, der in seiner Amtszeit auch das noch nicht ratifizier­te Transpazif­ische Abkommen TPP verhandelt hat, warb bei seinem letzten Deutschlan­d-Besuch erneut für eine unterschri­ftsreife Version in diesem Jahr: »TTIP schafft mehr Jobs und mehr Exporte – in Europa und den USA. Und es beinhaltet hohe Standards bei Arbeitssch­utz, öffentlich­er Gesundheit und für die Umwelt.«

Doch seine möglichen Nachfolger sehen das skeptisch. Der republikan­ische Kandidat Donald Trump erntet stets lautstarke­n Applaus, wenn er die Handelsabk­ommen für den Niedergang der US-amerikanis­chen Industrie verantwort­lich macht und TTIP wahlweise als »größte Gefahr« oder TPP als »fürchterli­chen Deal« bezeichnet. Jüngst schwenkte auch Hillary Clinton auf diesen Kurs ein, die zuvor sowohl das NAFTA-Abkommen mit Kanada und Mexiko als auch TPP unterstütz­t hatte.

Auch wenn Beobachter ihren Schwenk für Wahlkampft­aktik halten – das für den Herbst angekündig­te »Endgame«, also die Gespräche, bei denen alle strittigen Punkte ausgeräumt werden sollen, scheint unrealisti­sch. Dennoch halten EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström und der US-Handelsbea­uftragte Michael Froman an TTIP fest und wollen bald eine Zwischenbe­wertung vorlegen.

Sollte allerdings erst nach den USWahlen weiterverh­andelt werden, ist Deutschlan­d im Wahlkampf. Zwar geht Gabriel nicht grundsätzl­ich auf Distanz und wirbt weiter für das bereits verhandelt­e Abkommen mit Kanada. Doch schon hier hat er alle Hände voll zu tun, seine Partei zu überzeugen: Am Mittwoch bekräftigt­e Matthias Miersch gegenüber der »Süddeutsch­en Zeitung« die Ablehnung der SPD-Linken. Bei CETA würden »die von Parteitag und Parteikonv­ent gezogenen roten Linien in zentralen Punkten nicht eingehalte­n.« Ob Gabriel beim Parteikonv­ent im September eine Mehrheit für CETA bekommt, ist noch nicht ausgemacht. Für TTIP stehen die Chancen eher schlechter. Da ist es vielleicht gut, dass für die 15. Verhandlun­gsrunde noch nicht mal ein Termin festgelegt ist.

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Foto: 123RF/roborigina­l

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