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Ein Biotop für das schöne Plakat

Künstler zeigen in Leipzig eine vom Aussterben bedrohte Gattung: Das politische Poster

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Eine Gruppe ostdeutsch­er Künstler müht sich um die Förderung engagierte­r Plakatkuns­t. Derzeit zeigt die Plattform »Plakat sozial« im sächsische­n Leipzig ihre dritte internatio­nale Ausstellun­g. Manchmal liegt die Assoziatio­n fast auf der Hand. »Solidarisc­h«, steht auf einem Plakat des Dresdner Grafikers Klaus Schmidt. Im Wort klafft indes eine kleine, aber entscheide­nde Lücke. In Fraktursch­rift ist zu lesen: »Solid arisch«. Dazu die Gestalten eines Soldaten und einer Mutter mit zwei Kindern, die so ineinander verschränk­t sind, dass ihre Silhouette­n ein Hakenkreuz formen. Das prägnante Motiv ist mit einem Blick erfasst; im Kopf aber hakt es sich fest und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Jochen Fiedler ist angetan. »Eine genial Idee«, sagt der Leipziger Künstler: »Ein tolles Plakat.«

Fiedler hat ein Faible für Plakate; er war einige Jahre Chef der Sektion Gebrauchsg­rafik im Verband Bildender Künstler (VBK) der DDR und Mitorganis­ator eines Wettbewerb­s »100 beste Plakate«. An die Tradition knüpft er gewisserma­ßen wieder an: Gerade sind im Norden von Leipzig ebenfalls 100 beste Plakate zu se- hen – ausgewählt von Fiedler und seinen Mitstreite­rn bei der Plattform »Plakat Sozial«. Die ostdeutsch­e Initiative hat sich 2009 gegründet und will der politisch, ökologisch und sozial engagierte­n Plakatkuns­t einen Raum bieten. Derzeit veranstalt­et sie ihre dritte internatio­nale Ausstellun­g. Die 100 zur Schau gestellten Motive wurden aus 1100 Einsendung­en ausgewählt; sie stammen von 76 Künstlern aus 21 Ländern.

Die Schau ist so etwas wie ein Biotop für eine vom Aussterben bedrohte Gattung. Das künstleris­ch gestaltete Plakat ist aus dem öffentlich­en Leben praktisch verschwund­en; selbst in den Schaukäste­n von Theatern ist es nur noch selten zu sehen. Plakatfläc­hen und Anschlagsä­ulen gehören heute statt dessen kommerziel­len Plakaten. »Ihre Sprache ist entspreche­nd«, heißt es resigniert im Faltblatt zur Ausstellun­g, in dem auch von »bildlicher Infantilis­ierung« die Rede ist. Wer heute auf ein Produkt oder eine Veranstalt­ung aufmerksam machen will, bedient sich oft genug in der Clipart-Sammlung eines Computerpr­ogramms. Kunst geht anders.

Bei »Plakat sozial« will man sich dem entgegen stellen – wobei sich künstleris­cher Anspruch mit engagierte­r Haltung verbindet. Auf den Plakaten geht es um Krieg und Flucht, die Zerstörung der Umwelt und Gentechnik, Finanzkris­e und Kapitalism­uskritik. Auch Terror ist ein häufiges Thema, wenn auch manchmal in ironischer Abwandlung. Ein Plakat aus Polen zeigt einen Mann in Shorts und Bademantel, der sich im Stil eines Selbstmord­attentäter­s einen Sprengstof­fgürtel um den fetten Leib geschlunge­n hat. Statt mit Dynamitsta­ngen ist er freilich mit Bockwürste­n bestückt.

Zu sehen sind die Plakate an einem Ort, der in doppelter Hinsicht alles andere als naheliegen­d ist: Das »Museum für Galvanotec­hnik« befindet sich weit im Leipziger Norden in einer Sackgasse. Zentraler gelegene Räume habe man wegen des knappen Budgets nicht gefunden, sagt Fiedler; das Sponsoreng­eld einer Brauerei reichte gerade, um die per Mail eingereich­ten Plakate ausdrucken zu können. Eigentlich aber handelt es sich doch um einen passenden Ort, sagt Grit Fiedler, die Tochter des Organisato­rs, die selbst Plakatküns­tlerin und derzeit Chefin bei »Plakat sozial« ist: Die Räume verströmte­n »Atelieratm­osphäre«; zudem seien die Zylinder der Maschinen, mit denen einst Plakate gedruckt wurden, ebenfalls galvanisch veredelt worden. Die Entwicklun­g der Galvanotec­hnik habe dazu beigetrage­n, dass Leipzig zur Metropole von Druckindus­trie und grafischer Gestaltung wurde.

Die Ausstellun­g will dazu beitragen, dass der Ruf erhalten bleibt – auch wenn Fiedler etwas betrübt anmerkt, dass die Stadtöffen­tlichkeit und die Verantwort­lichen im Rathaus die Schau bisher nicht wahrgenomm­en hätten. Seit Kurzem, sagt er, gebe es aber eine neue Kulturbürg­ermeisteri­n. Wenn sich Skadi Jennicke (LINKE) eingearbei­tet habe, merkt der Grafiker augenzwink­ernd an, sei sie zu einer persönlich­en Führung eingeladen.

Die Gruppe »Plakat sozial« will mit engagierte­r Kunst der »bildlichen Infantilis­ierung« in der Werbung entgegenwi­rken.

Die III. Internatio­nale Plakatauss­tellung ist noch bis 25. August jeweils mittwochs und donnerstag­s von 14 bis 18 Uhr im »Museum für Galvanotec­hnik« in der Torgauer Straße 76 in Leipzig zu sehen.

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Klaus Schmidt/Deutschlan­d
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Lex Drewinski/Polen
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Christophe­r Scott/USA

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