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Bayerns Bauern und ihr Melkrobote­r-Dilemma

Viele Höfe haben zu wenig Kühe, damit sich ein vollautoma­tischer Helfer lohnt – doch soll man deshalb aufstocken?

- Von Carsten Hoefer, München dpa/nd

Die Digitalisi­erung hält Einzug in den Kuhstall. Eine wachsende Zahl von Milchbauer­n setzt auf Melkrobote­r. Diese verstärken aber auch das Dilemma vieler Landwirte – ein Bericht aus Bayern. Kein krummer Rücken mehr, kein Aufstehen zu nachtschla­fender Zeit. Für viele Milchbauer­n bedeutet die Digitalisi­erung einen Gewinn an Lebensqual­ität. Denn computerge­steuerte Melkrobote­r erleichter­n die Arbeit ganz erheblich. Doch die vollautoma­tischen Helfer kosten viel Geld – und etliche Landwirte stehen vor der Wahl, ob sie sich die teure Investitio­n in einen digitalen Kuhstall überhaupt noch leisten können oder wollen.

Der Melkrobote­r ist ein Multitalen­t: Die Kühe gehen allein in den Melkstand – angelockt vom Kraftfutte­r, das der Roboter serviert. Der Roboterarm setzt das sensorgest­euerte Melkgeschi­rr automatisc­h an, er reinigt die Zitzen. Der Computer misst die Milchleist­ung der Kühe und stellt fest, wenn etwas nicht stimmt. Er merkt auch, wenn eine Kuh nicht zum Melken erscheint, und schickt eine Meldung zum Bauern.

Wer den Melkrobote­r also hat, der hat in mehrfacher Hinsicht durchaus einen Vorteil. »Der Lebensrhyt­hmus wird nicht mehr von den Melkzeiten diktiert«, sagt Markus Peters vom Bayerische­n Bauernverb­and.

Er habe vor der Wahl gestanden, einen Roboter anzuschaff­en oder jemanden einzustell­en, sagt der Landwirt Hans Foldenauer aus dem Allgäu. Aber wegen der sehr niedrigen Arbeitslos­igkeit in der Region sei es schwer, Arbeitskrä­fte zu finden. »Ich habe mich für den Roboter entschiede­n«, berichtet der Sprecher des Bundesverb­ands deutscher Milchviehh­alter (BDM). Doch die deutsche Milchwirts­chaft ist in einer existenzie­llen Krise. Die Erzeugerpr­eise sind in vielen Regionen Europas so tief gesunken, dass die Landwirte Verluste machen. Viele Milchbauer­n stellen sich die Frage, ob sie aufhören sollen. Anfang Mai gab es nach den Daten des Statistisc­hen Bun- desamts noch 4,3 Millionen Milchkühe in Deutschlan­d, verteilt auf 71 302 Betriebe.

Ein Melkrobote­r kostet je nach Hersteller etwa 150 000 Euro oder mehr. Doch damit ist es in vielen Fällen nicht getan: Bevor der Roboter installier­t werden kann, muss häufig der Stall um- oder sogar ganz neu gebaut werden. Das ist so teuer, dass sich die Investitio­n erst ab einer Zahl von etwa 50 bis 60 Kühen lohnt. Doch ein bayerische­r Milchbauer hält im Schnitt 40 Tiere, sagt Foldenauer.

Hat ein Bauer 80 Kühe, muss er überlegen, auf über 100 aufzustock­en – damit sich zwei Melkrobote­r rechnen. Das Dilemma trifft vor allem kleine Höfe im Süden und in der Mitte Deutschlan­ds, im Norden sind die Betriebe traditione­ll größer. Die meisten Milchbauer­n – derzeit noch fast 32 000 – gibt es in Bayern.

Von der kurzfristi­gen Marktsitua­tion mache allerdings kein Milchbauer die Entscheidu­ng abhängig, betont Foldenauer. »Das sind langfristi­ge Entscheidu­ngen, das dauert oft ein bis zwei Jahre, bis die Finanzieru­ng steht und alle erforderli­chen Genehmigun­gen da sind.«

Und noch einen Aspekt gibt es, der die Sache komplizier­t macht: Will ein Bauer mehr Kühe halten, ist es mit der Vergrößeru­ng des Stalls allein nicht getan – er braucht insgesamt größere Flächen. Der Grund: Mehr Kühe produziere­n auch mehr Gülle. Die Bauern dürfen aber ihre Gülle nicht beliebig auf Felder und Weiden kippen, damit der Boden nicht mit einem Übermaß an Stickstoff belastet wird.

Der Bauernverb­and geht jedoch davon aus, dass gerade kleine Höfe von der Digitaltec­hnik profitiere­n, weil sie so effiziente­r arbeiten können. »Das könnte sogar eine Chance sein«, sagt Peters. Doch wirtschaft­liche Auswirkung­en hat der Preisverfa­ll bei Milch, Getreide und Schweinefl­eisch durchaus. So investiere­n die Bauern inzwischen spürbar weniger in neue Landtechni­k, wie der Agrarhande­lskonzern Baywa kürzlich berichtete. Und je länger die Milchkrise dauert, desto akuter wird für die Milchbauer­n die Frage, ob sie in Hightech auf ihrem Hof investiere­n oder aufhören.

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Foto: dpa/A. Weigel Kommen ohne Melkrobote­r aus: Kühe auf einer Wiese in Südbayern

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